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Werkstattgespräch: Handwerkskunst aus dem Hause Sanders
Gürtel, Bucheinbände oder doch gleich ein ganzes Fernsehstudio? Die ledernen Produkte von „Sanders Books & Belts“ sind edel, praktisch und mitunter sogar kugelsicher. Wir haben Bernhard und Lisa Sanders in der Werkstatt besucht.
Eine lichte Werkstatt in der Innsbrucker Neurauthgasse, das Gebäude leicht zurückversetzt von der ohnehin kaum befahrenen Straße. Hier betreibt Bernhard Sanders mit seinem Team eine Buchbinderei und Lederwerkstatt. Vor der Tür parkt ein VW-Käfer mit dem Firmenschriftzug. Drinnen stehen Maschinen zum Pressen, Schneiden und Falzen.
Gegründet wurde die Buchbinderei 1974 von Bernhard Sanders’ Eltern als „Spezialwerkstätte für Sonderarbeiten“. Die Liste der Aufträge reichte bis zur Einrichtung eines ORF-Studios mit schwarzem Rindsnappaleder. Als der Vater den Betrieb vor einigen Jahren übergab, blieb die Offenheit im Umgang mit dem Handwerk erhalten. „Eigentlich sind wir Verfahrenstechniker im Spezialbereich Verarbeitung von Pappe, Papier, Leder und Kunststoff“, beschreibt Bernhard Sanders das Berufsbild. „Aber wenn man das Handwerk weiterdenkt, dann tut sich irrsinnig viel auf.“
Kugelsicherer Spezialauftrag
Wie in vielen anderen Sparten ist auch das Buchbinderhandwerk Veränderungen unterworfen. Klassische Aufträge wie das Binden von Diplomarbeiten gingen zurück, doch Sanders fand neue Betätigungsfelder. Von der Kinderschaukel bis zum Bauchladen, von der Verpackung bis zum Gimmick für den Museumsshop ist alles dabei.
Die hohe Qualität brachte der Firma schon Designpreise ein – und einen ausgezeichneten internationalen Ruf. Beides verhalf dem Buchbinder schon zu spektakulären Aufträgen, darunter eine Broschüre für die kugelsicheren Autos von BMW. Die in Schwarz gehaltene Hülle lässt sich mit wenigen Handgriffen zu einer kugelsicheren Weste umwandeln. Das erfreut nicht nur „Politiker und Ganoven“, sondern wurde auch gleich mit zwei Mal Bronze bei den Design Awards ADC 2018 und The Internationalist 2019 gewürdigt.
Der Handwerker als Gestalter
„Der Handwerker tut gut daran, wenn er sich seiner Rolle als Gestalter bewusst ist“, sagt Sanders. „Wenn er nicht einfach nur tut, was der Kunde möchte, sondern überlegt, wie er etwas lösen könnte. Das ist manchmal anstrengend, aber es rentiert sich.“ Für Sanders gehört dazu auch seine Zusammenarbeit mit Grafiker:innen und anderen Kreativen sowie seine Lehrtätigkeit an der Schule für Gestaltung in St. Gallen und in Workshops.
Vor einigen Jahren absolvierte der Buchbinder noch eine Taschnerlehre und erschloss sich damit eine neue gestalterische „Spielwiese“. Zusammen mit seiner Schwester Lisa Sanders, die Taschen und Kinderkleidung anfertigt und sich auf Kalligrafie versteht, produziert er nun edle, tragbare Designstücke. Dazu gehören gefütterte Clutches und Gürtel aus festem Leder sowie Necessaires und Stiftetaschen aus veganem Leder für den Tirol Shop – alles „typische“ Sanders-Entwürfe, die mit gutem Design und perfekter Verarbeitung punkten.