Kleine Bühne, großes Theater
Einst rebellisch, heute professionell. Das Innsbrucker Kellertheater spielt seit 40 Jahren Klassiker und absurdes Theater, qualitätvolle Komödien und brandneue Stücke – ein Porträt.
Ein rosa gepolsterter weißer Koffer und ein Schemel auf pinkfarbenem Podest, zwei Leitern – viel mehr Platz für Bühne ist nicht vorhanden und viel mehr braucht es auch nicht, um das New Yorker Apartment von Holly Golightly in „Frühstück bei Tiffany“ entstehen zu lassen.
Die wenigen Quadratmeter Bühne waren schon Macbeth’ Burg und ein Gasthof im österreichischen Hinterland wie im „Theatermacher“, eine schicke Wohnung oder ein Verhörraum. (Fast) alles ist möglich, wenn man am Innsbrucker Kellertheater ist.
Hohe Erwartungen
Als das Kellergewölbe mit seinen 75 Plätzen vor mehr als 40 Jahren seine Tore geöffnet hat, hatten Kleinbühnen dieser Art noch eine ganz andere Funktion. Man positionierte sich als Gegenentwurf zur Hochkultur, zu den Landestheatern mit ihren klassischen Programmen, probte Rebellion und Experiment.
Inzwischen habe sich das überholt, meint Manfred Schild, seit zehn Jahren Intendant des Hauses am Adolf-Pichler-Platz. Die freien Theater sind professionelle Bühnen, die nicht viel anders funktionieren als die großen Landesbühnen: mit ausgebildeten Schauspieler:innen, professioneller Technik und einem Publikum, das mit hohen Erwartungen in die Vorstellungen kommt.
Und doch gibt es einen entscheidenden Unterschied: Allein die Raumsituation verleiht den Stücken eine andere emotionale Dichte. „Der Trick ist, Stücke zu finden, die durch die Enge gewinnen“, sagt Manfred Schild. Moderne Dramen wie „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ und Klassiker wie die Shakespearedramen, bekämen dadurch noch einmal eine ganz andere Qualität. Die Schauspieler:innen können mit jedem Wimpernschlag etwas ausdrücken.
Gerade Darsteller:innen, die sonst auf großen Bühnen engagiert sind oder in Film- und TV-Rollen glänzen, wüssten das zu schätzen. Nur so ist es möglich, dass Bernhard Aichner für sein Stück „Kaschmirgefühl“ das Kellertheater als ersten Aufführungsort wählte und Brigitte Jaufenthaler gern in die Hauptrolle schlüpft, dass Daniel Glattauer die Komödie „Die Liebe Geld“ hier aufführen lässt und Klaus Rohrmoser mit dem „Theatermacher“ eine Paraderolle fand.
Lebenshunger und Verletzlichkeit
Die Auswahl zeigt, dass ein Fokus auf regionalen Schauspieler:innen, Regisseur:innen und Bühnenbildner:innen liegt, zugleich genießt das Kellertheater einen ausgezeichneten Ruf im gesamten deutschen Sprachraum.
Schauspiel als 3D-Erfahrung
Vermutlich ist auch das Publikum sich dessen bewusst, wie flüchtig und kostbar die Stunden in der Welt der Fantasie sind. Denn zum einen kann das Kellertheater auf ein theaterbegeistertes Stammpublikum setzen. Zum anderen entdeckten viele junge Zuschauer:innen in den letzten Jahren die Kunstform für sich, sagt Judith Knoll, langjährige Regieassistentin am Kellertheater.
Oft sind Komödien die Türöffner – der Bedarf an qualitätvoller Unterhaltung ist groß –, zugleich verführen sie das Publikum dazu, sich auch auf andere Stoffe einzulassen. „Theater ist eine der letzten 3D-Erfahrungen“, meint Knoll, „es findet nicht auf dem Bildschirm statt. Wenn jemand in zwei Metern Entfernung eine Emotion spielt, dann spürst du das einfach.“