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Vom Leben im Tal: das Lechtal

Unsereins, erwachsen an Jahren und von aufgeklärter Geisteshaltung, glaubt ja nicht an Ungeheuer. Sollte im Lech allerdings doch der Bluatschink, dieses furchterregende Fabelwesen, hausen, ist eines unbestreitbar: Der Bursche muss richtig hart im Nehmen sein. Denn der Lech hat selbst an seinen allerbesten Tagen nicht mehr als 14 Grad Celsius.
Die Außerferner sind ein eigener Menschenschlag, durchsetzungsfähig und selbstbewusst wie ihr Fluss, der einer der letzten Wildflüsse Europas ist.
Der Lech ist einer der größten Nebenflüsse der Donau und ein Grenzgänger. Er plätschert bei Steeg aus dem westlichsten österreichischen Bundesland Vorarlberg nach Tirol herein und stürzt sich als kleiner Wasserfall bei Füssen in bayerische Lande. Das Lechtal liegt im Bezirk Reutte, den Einheimische nur „das Außerfern“ nennen. Das klingt ein wenig abgelegen und ist es auch – außerhalb des Fernpasses und weit weg von der Landeshauptstadt Innsbruck, aber andererseits ist die Klassifizierung einer Gegend als Peripherie immer nur eine Frage des eigenen Standpunktes.
Die Außerferner sind ein eigener Menschenschlag, durchsetzungsfähig und selbstbewusst wie ihr Fluss, der einer der letzten Wildflüsse Europas ist. Wenn sie einkaufen oder sich kulturell zerstreuen wollen, orientieren sie sich eher nach Füssen als nach Innsbruck. Und sie sprechen anders als alle anderen Tiroler, was vor allem am offenen „a“ liegt. Und an einem selbst für hiesige Verhältnisse sehr stark ausgeprägten Hang dazu, ein „k“ oder die Silbe „ge-“ am Wortanfang tief hinten in der Kehle zu raspeln. Die meisten anderen Tiroler Dialekte verdunkeln das „a“ in etlichen Wörtern zu einem „å“, das fast wie ein „o“ klingt; im Außerfern vermischen sich schwäbische, bairische und (höchst) alemannische Einflüsse zu einer ganz eigenen Sprache.
Ein Beispiel gefällig? Nehmen wir an, Sie haben mithilfe einer Axt einen Ast von einem Baumstamm entfernt, also abgehackt. In den meisten Tiroler Gegenden haben Sie den Ast je nach Region „oag’håckt“, „og’håckt“… Im Lechtal hingegen haben Sie den Ast „achackhackt“. Und jetzt ratet einmal, wieso andere Tiroler die Außerferner auch gern nur halb liebevoll „die Achackhackten“ nennen…