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Vom Leben im Tal: das obere Inntal oder Oberinntal
Der Inn durchzieht Tirol vom äußersten Südwesten bis hin zur nordöstlichen Grenze. Er ist ein Durchreisender, der aus dem Schweizer Engadin als vorwitziges Gebirgsbächlein nach Tirol herein sprudelt und das Land bei Kufstein als immerhin mittelgroßer, schon ein wenig gesetzterer Fluss in Richtung Bayern wieder verlässt. Der Fluss hat der Hauptstadt Tirols, Innsbruck, ihren Namen gegeben, das Inntal ist die Hauptschlagader Tirols. Das Tal und seine Menschen als Einheit zu betrachten, fiele dennoch niemandem ein. Also jedenfalls keinem Einheimischen.
Das beginnt damit, dass kein Tiroler von sich behauptet, er sei Inntaler. Man ist Paznauner, Villgrater, Zillertaler, aber die Bewohner des Inntals lassen sich nicht über einen (Berg-)Kamm scheren. Man ist, grob gesagt, Oberländer oder Unterländer (wobei damit streng genommen nicht nur die Einwohner jener Städte und Dörfer zusammengefasst sind, die tatsächlich am Inn liegen). Oder man lebt im Großraum Innsbruck.
Innsbrucker sind, wie die Bewohner aller Hauptstädte überall auf der Welt, arrogant und eingebildet (sagen zumindest die anderen Tiroler). Wie sehr sich Oberinntaler von Unterinntalern unterscheiden, und zwar nicht nur in der Einschätzung Nichtbetroffener, sondern auch in ihrem Selbstbild, mag die volkstümliche Redensart belegen, dass es bei Begräbnissen im Unterland lustiger zugehe als bei Hochzeiten im Oberland. Oder eine nicht weniger bekannte, etwas derbere Variation des Themas, dass Oberländer tendenziell wortkarge, mit der frivolen Zurschaustellung von Emotionen sparsame Menschen seien: „Bevor di da Oberländer busst hat, hat dir da Unterländer a Kind g’mocht.“ Frei übersetzt: Es kann dauern, bis ein männlicher Oberländer sich dazu durchringt, einem weiblichen Wesen durch eindeutige Handlungen sein Interesse zu beweisen.
Die Landschaft prägt eben die Menschen, die in ihr leben. Und wer meint, enger als Landeck, das sich um ein scharfes Knie des Inn schmiegt, ginge nicht, der möge innaufwärts durch das „Obere Gericht“ weiterziehen und einmal in die Schlucht zum malerischen Grenzort Altfinstermünz hinuntersteigen…