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Spielend. weiblich. Ausgezeichnet. Die Weiberwirtschaft im Interview.
Wenn ihr auf Unterhosen ein Statement gegen „Popolismus“ seht, wenn Sticken dem inneren Frieden dient und auf T-Shirts „Good Weibrations“ versprüht werden, dann hatte die „Weiberwirtschaft“ ihre Finger im Spiel. Heidi Sutterlüty-Kathan und Beatrix Rettenbacher arbeiten für die bekanntesten Firmen Tirols und haben als Erste den Arthur Zelger-Preis für gute Gestaltung gewonnen. Wir haben sie zum Interview getroffen.
Eure Kleidungsstücke haben Aufschriften wie „Good Weibrations“ oder ein gesticktes „GLÜCK NAHT“. Gehen euch solche Slogans tatsächlich so leicht von der Hand, wie es scheint?
Heidi: Gerade bei den Shirt-Aufschriften meinen viele Leute, wir sitzen zusammen und haben sofort einen Riesenspaß. Aber natürlich ist es viel Arbeit, die Essenz eines Themas zu finden. Wie bringe ich etwa die ungerechte Entlohnung von Frauen humorvoll und kritisch in einer Line aufs Shirt?
Etwa im Sinne des Übersetzers Harry Rowohlt, der meinte: „Es gibt die deutsche Sprache ja, man kann mit ihr rummachen“?
Beatrix: Ja, das würde zu uns passen. Wir hatten einmal ein T-Shirt mit der Aufschrift „Gegensätze ziehen sich aus“. Das nimmt fast niemand wahr, jeder liest es eigentlich richtig. Wenn man ganz bekannte Aussagen minimal verändert, liegt fast etwas Philosophisches darin. Genau da wird es dann spannend.
Du trägst selbst ein gesticktes „Glück ist selbstgemacht“, ein Bekenntnis zur Handarbeit?
Heidi: Handwerk hat schon einen hohen Stellenwert bei uns, aber wir mögen es gerne cool. Bei handbestickten Sachen kippt es sonst leicht ins Hausmütterchen-Klischee – außer man stickt sehr schlampig. Ich habe von meiner Oma, die sehr gut sticken konnte, eine Tischdecke, die löst sich jetzt langsam auf. Das schaut irrsinnig cool aus.
Vor einigen Jahren bin ich auf der Suche nach neuen Techniken ins Asylheim gegangen und fand es sehr spannend, als die Frauen in ihren Muttersprachen gestickt haben. Damals entstand in Zusammenarbeit mit Anna Brunner das Projekt „Wir sticken für den inneren Frieden“, in dem Flüchtlingsfrauen auf Bestellung Tischdecken und anderes besticken. So sind wir auch auf die Idee gekommen, die Cover „Form und Inhalt“ und „Kreieren statt konsumieren“ für Wei sraum-Programme zu sticken.
Beatrix: Bei der Handarbeit wird es auch interessant, wenn es digital bearbeitet wird. Wir haben zum Beispiel das analog gestickte Original auch gespiegelt und anders verwendet. Als wir Kollegen in Wien Fotos von den Covers gezeigt haben, dachten sie, die seien wirklich bestickt. Man sieht ja noch die roten Fäden dranhängen, das war herrlich verwirrend.
Ich spinne den Faden einmal weiter: Ist weibliches Selbstbewusstsein, ist Feminismus ein roter Faden in euren Arbeiten?
Beatrix: Dass wir weibliche Themen aufgreifen, hat sich mit der Zeit immer mehr herauskristallisiert. Vor allem bei den Shirts, bei denen wir selbst Aussagen treffen und frei arbeiten können, sind wir immer politischer geworden. Allerdings widerstrebt mir die Strenge im Feminismus. Unser Ansatz ist feministisch, aber nicht politisch korrekt. Er muss spielerisch sein, …
Heidi: … mit Humor, für jeden Mann und jede Frau greifbar. Es soll ein Anstoß zum Weiterdenken sein. Feminismus ist wichtig. Wir müssen in unserer Gesellschaft auch bereits erreichte Fortschritte beschützen und darauf achten, dass sie nicht wieder verloren gehen.
Euer zweites Standbein neben „Text und Textiles“ ist „Konzept und Gestaltung“. Welche Aufträge entsprechen euch besonders?
Heidi: Über Therese Mölk freuen wir uns sehr, dass das funktioniert hat. Es hat sehr viel Bezug zu Tirol und zu Therese Mölk, der Gründerin des Unternehmens.
Beatrix: Ich bin sehr gerne mit der Tiroler Edlen beschäftigt. Das ist eine langjährige Kooperation, bei der ich mir immer wieder etwas Neues überlegen kann. Unter den neuen Sachen war es das Logo für die Kammer der Ziviltechnikerinnen. Es war eine große Herausforderung, weil die vier Länderkammern und die Bundeskammer unter einen Hut gebracht werden mussten, und ein großer Erfolg, dass das gelungen ist.
Ihr habt in Wien, München bzw. Hamburg gearbeitet. Die Weiberwirtschaft betreibt ihr in Innsbruck. Seid ihr regional verankert oder zieht es euch nach draußen?
Beatrix: Ich sehe uns schon regional verankert, vor allem auch in unserem Netzwerk, mit unseren Kundinnen und Kunden. Wir haben Tiroler Marken wie das Hotel Nala geprägt. Diesen Werken in der Stadt zu begegnen, ist eine schöne Sache.
Heidi: Für mich ist das anders. Ich bin ja nicht aus Tirol wie Beatrix und habe daher nicht die gleiche Verwurzelung hier. Ich habe meine Ausbildung in München gemacht und anschließend einige Jahre dort und in Wien gearbeitet. Wir haben Kunden in Wien und Vorarlberg – früher sogar von Rom bis München –, das freut mich immer sehr. Es ist mir manchmal auch recht, diesen Raum zu verlassen.
Als Erste den Arthur Zelger-Preises für gute Gestaltung der Tirol Werbung zu bekommen zu haben, war…
Beatrix: …eine große Ehre. Unser Motto dazu war „Wir haben schon wieder etwas angerichtet“. Das ist zugleich ein Rückbezug auf Dinge, die wir schon angerichtet haben und eine Aufforderung an alle Frauen, mehr anzurichten. Im Zentrum gab es ein weibliches Altärchen und in dessen Mittelpunkt eine gestickte Muschi. Wir wollten schon die Weiblichkeit ein bisschen feiern.
Heidi: Da fließt viel von uns zusammen: einmal der Spruch „Kreieren statt Konsumieren“, dann die Technik, das Gestickte auf Papier und das Feministische – eben das Essenzielle.
Und wieder der rote Faden…
Beatrix: Den nehmen wir mit der Stickerei wieder auf. Es ist herrlich, weil uns wirklich niemand bremst.
Dann freuen wir uns auf das Ergebnis. Vielen Dank für das Gespräch.