Turmmuseum Oetz: Barocke Fenster in eine andere Zeit.
Sisyphusarbeit
Mit dem „Tuum“ besitzt Oetz eine der ältesten und bedeutendsten Profanbauten im Ötztal. Er diente im Mittelalter einer Landadelsfamilie als Wohnsitz und fungierte spätestens seit Anfang des 17. Jahrhunderts als Verwaltungssitz der Güter des Klosters Frauenchiemsee im Ötztal. Aus dieser Periode stammt auch das gegenwärtige barocke Aussehen, sowohl innen als auch außen. Durch die fast 15-jährige Generalsanierung des alten Bauwerks zum Turmmuseum Oetz wurde dieses wertvolle historische Gebäude der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Gleichzeitig bietet es den perfekten Rahmen für Teile der privaten Sammlung an regionalen Kulturgütern und Bildern, die der verstorbene Kunstsammler Hans Jäger als „Galerie zum alten Oetztal“ zuvor in seinem Bauernhof ausgestellt hat.
Die Renovierung solch alter Gebäude ist gar nicht so einfach. Auf Basis einer statischen Überprüfung der vorhandenen Substanz mussten die Architekten erstmal die erforderlichen konstruktiven Maßnahmen errechnen. Immerhin sollte die alte Bausubstanz nicht zusammenstürzen. Die historischen Bauteile und Oberflächen wurden vor allem unter Rücksichtnahme auf die Ästhetik der Spätrenaissance bzw. des Frühbarocks restauriert. Viel alte Handwerkskunst, die man so gar nicht mehr kennt, wurde benötigt um die Fassaden zu renovieren, die Stubengetäfel im Inneren des Turms herzurichten oder das Dachgebälk zu stabilisieren. In Hinblick auf die beabsichtigte Nutzung als Museum wurde der Turm im Inneren funktionell und architektonisch adaptiert. Eine reduzierte Außenraumgestaltung, die moderne Inszenierung der Wegführung und das zurückhaltende Gestaltungskonzept der notwendigen Ergänzungen wie Eingangsbereich, Gastronomie und Vitrinen des Museums in zeitgemäßer Formensprache bilden einen spannungsvollen Dialog, vielleicht sogar Kontrast mit dem historischen Bestand.
Und das zahlte sich aus: Das Turmmuseum Oetz wurde 2004 mit dem „Museumspreis des Landes Tirol“ ausgezeichnet, der als Anerkennung für besondere Leistungen im Bereich des Museumswesens vergeben wird.
Schaufenster
Wer also mal quasi durch ein „Fenster“ in Form alter Gemälde in die alpine Neuzeit schauen möchte, ist im Turmmuseum Oetz genau richtig. Traditionell sind die frühen Bildzeugnisse der Alpen eher religiösen Themen gewidmet. Erst seit rund 200 Jahren gibt es die alpine Landschaftsmalerei, zur Zeit der kunstgeschichtlichen Romantik. Eine spannende Ära, die so manches mit der Welt, in der wir heute leben, gemeinsam hat. Die Künstler der Romantik empfanden rund um 1900 einen tiefen Bruch, der sie und die Welt gespalten hat: in eine Welt der Vernunft, der „Zahlen und Figuren“ (Novalis), und in eine Welt des Gefühls und des Wunderbaren.
Treibende Kraft der deutschen Romantik ist eine ins Unendliche gerichtete Sehnsucht nach der Heilung der Welt, nach der Zusammenführung von Gegensätzen zu einem harmonischen Ganzen. Symbolische Orte und Manifestationen dieser Sehnsucht sind nebelverhangene Waldtäler, mittelalterliche Klosterruinen, alte Mythen und Märchen, und zum ersten Mal in der Kunstgeschichte auch die Alpen mit ihren imposanten, archaischen Gipfeln, Gletschern und Tälern.
Die diesjährige Sonderausstellung (Sommer 2015) ist dem aus dem Schnalstal stammenden Bildhauer Friedrich Gurschler gewidmet. Der Titel der Ausstellung: „Friedrich Gurschler – Ein Schnalser Bildhauer zu Besuch im Ötztal“.
—
Turmmuseum Oetz
Schulweg 2, 6433 Oetz, info@turmmuseum.at, www.turmmuseum.at
Öffnungszeiten: Mi bis So, Feiertage: 14.00 bis 18.00 Uhr