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Vom Leben im Tal: Achensee

Eine ferne Erinnerung: In Pertisau der soliden Familienkutsche entsteigen und dann weltmännisch die elegante Seepromenade entlang flanieren. Im „Bergg’wand“ und festen Schuhen, selbstverständlich, denn die Promenade mündet bald in einen felsigen Steig Richtung Gaisalm. Aber dennoch: Die erste Seepromenade einer kleinen Innsbruckerin in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts lag nicht irgendwo im exotischen Süden, nicht am Gardasee oder an der azurblauen französischen Mittelmeerküste, sondern am riesigen Achensee nördlich von Jenbach, keine Autostunde entfernt von Innsbruck.
Heute ist alles ein wenig geschrumpft, in den Augen der erwachsenen Betrachterin kleiner geworden. Der Achensee ist nicht mehr riesig, sondern nur noch der größte Tiroler See (aber mit bis zu 133 Metern immer noch bedrohlich tief und auch im Hochsommer eiskalt); Pertisau wirkt eher auf eine gemütlich überschaubare Art schmuck als mondän. Das Bergg’wand heißt heute Outdoor-Bekleidung und die festen Schuhe wurden zu Trekking oder wenigstens Hiking Boots. Größer indes ist der Bewegungsradius geworden — und die Lust daran, das Neue in nächster Nähe zu entdecken.
Das Auto ist wieder eine solide Familienkutsche, die kleine Innsbruckerin von damals allerdings ist inzwischen von der Rückbank auf den Fahrersitz gewechselt und hört auf „Mama“. Unmittelbar am Ortsrand von Pertisau am westlichen Seeufer beginnt der Naturpark Karwendel. Im Falzthurn- und im Gerntal wachsen die bergsteigerischen Ansprüche und Möglichkeiten mit den Kindern: vom Spaziergang zur Falzthurnalm bis hin zu anspruchsvollen, mehrstündigen Touren auf die Lamsenspitze oder das Sonnjoch, beide rund 2500 Meter hoch.
Immer inkludiert: grandiose Rundblicke ins Karwendel und der Achensee von oben. Da unten, winzig wie ein Spielzeug, zieht ein Schiff über den See. Und da ist sie wieder, die Kindheitserinnerung: Denn Höhepunkt und Belohnung nach einer Wanderung zur Gaisalm war stets die Rückfahrt nach Pertisau über den See.