Von Krotnmelchern, Ofenschliefern und Schimmelfärbern. Spitz- und Spottnamen Tiroler Gemeinden
Tolles Sammelwerk
Der leider inzwischen verstorbene Volkskundler Friedrich Haider hat in diesem Werk in mühevoller Recherchearbeit Spitz-, Spott – und Necknamen zusammengefasst, die sich einst, vor längst vergangener Zeit, benachbarte Orte Tirols untereinander gegeben haben sollen – und sich teilweise immer noch geben, oft hinter vorgehaltener Hand versteht sich.
Wahrheit oder nur Boshaftigkeit der Nachbargemeinden?
Erklärung für Vergabe dieser Namen sind oft frei überlieferte Anekdoten. Ob diese Geschichten wirklich passiert sind, werden wir wohl nie erfahren – amüsant zu lesen sind sie allemal. Es gibt auf jeden Fall keinen Anspruch auf Richtig- oder Vollständigkeit.
Tiroler Volksgut
Autor Haider betont im Vorwort seines Buches, dass er niemand mit diesem Werk ärgern wollte, sondern nur altes Volksgut vor dem Vergessen schützen. Deshalb bitte nicht persönlich nehmen! Ich jedenfalls musste sehr schmunzeln. Einige meiner ganz persönlichen Favoriten aus dem Buch möchte ich euch hier vorstellen (größtenteils Auszüge aus dem Originaltext).
Bitzler
Das waren die Ischgler, weil man in Ischgl statt „ein bißchen“ „a bitz“ sagt. Bezogen wurde „das bißchen“ angeblich auf den Sonnenschein, der im Paznauntal allgemein nicht übermäßig vorhanden ist.
Gealrubeler
So wurden die Bewohner der Gemeinden am Arlberg bezeichnet. Dort wurden einst besonders viele gelbe Rüben (Möhren) angebaut.
Larchgugger
Die Obsteiger haben diese Bezeichnung wohl von dem Lärchenwald, der am Holzleitensattel zu finden ist.
Sunnaluahner
Das waren die Lermooser, die es angeblich vorzogen, mehr in der Sonne zu lehnen als zu arbeiten.
Zipflkappa
Ebenfalls die Lermooser. Den Beinamen „Zipflkappa“ haben sie von den Ehrwaldern verliehen bekommen, weil sie immer dicke Wollkappen getragen haben sollen, sogar am Stammtisch.
Staubsauger
Bezeichnung für die Reuttener, wohl deshalb, weil die wichtige Straße ins Allgäu mitten durch Reutte führte und die Reuttener dann den Staub schlucken mussten.
Kaseler
Die Lechtaler hatten immer, wenn sie auf einen Markt gingen, „Kas und Brot ingepackt“ (eingepackt).
Schrullen
Bewohner des obersten Lechtales, sie galten in anderen Gemeinden als grobe und wunderliche Menschen.
Kiachlfresser
Für die Tannheimer. Eine nähere Erklärung ist hier wohl nicht nötig.
Ofentürler
So wurden die Bewohner von Bschlabs bezeichnet. Die Erklärung dazu gibt es auch: Ein Bschlaber (nicht „Bschlabser“!) hat sich angeblich ein neues Ofentürl machen lassen. Da Maß dazu nahm er, da kein Maßband zur Hand, mit den gespreizten Armen. So ging er zwei Kilometer bis zum Schmied. Natürlich hatte sich inzwischen das „natürliche Maß“ verändert und das Ofentürl passte nicht.
Spitztiroler
Die Gemeinde Jungholz, die nur über deutsches Staatsgebiet erreichbar ist, hat eine Dreieckform ihres Gemeindegebietes. Und somit haben sie den Übernamen Spitztiroler bekommen.
Ofenschliefer
Vor Jahrzehnten sollen sich die Arzler Burschen bei einer Rauferei mit den Burschen vom Ortsteil Wald in einem Backofen versteckt haben.
Türkennudelfresser
In Wald wurde auch viel Türggen angebaut und somit viel Maismehl verarbeitet und gegessen. Und schon war der Name perfekt.
Goasgaglbrenner
Man erzählt sich, dass die Leiner Bergbauern (Leins ist auch ein Ortsteil von Arzl) aufgrund des Mangels an Kaffeebohnen „Goaßgagl“ (Kügelchen von der Ziege, also Ziegenkot) gebrannt hätten.
Longgalabiera
Bezeichnung für längliche Birnen. Und die Bewohner Sautens. Ob die Sautener aufgrund den Anbau dieser Obssorte so genannt wurden oder aufgrund einer länglichen Kopfform der Bewohner, ist nicht entschieden.
Talfer Hoa
Dieser Spitzname geht auf die Angewohnheit der Telfer zurück, häufig zur Bekräftigung „hoa“ zu sagen, wie etwa „Kimmsch heit no, hoa?“ (Kommst heute noch, oder?)
Schmuggler
Einst die Scharnitzer. Muss wohl nicht näher erklärt werden.
Fischsinger
Die Pettnauer. Dazu gibt es eine Geschichte: Vor den verschiedenen Regulierungen hat der Inn bei Pettnau das ganze Tal ausgefüllt. Viele seiner Nebenarme durchzogen die Pettnauer Auen und bildeten Weiher und Tümpel. Neben der Landwirtschaft war somit die Fischerei ein zusätzlicher Broterwerb der Pettnauer. Aus einem dieser „Gießen“ fischte man eines Tages eine farbenfrohe Forelle. So ein Prachtexemplar hatte man noch nie gesehen – man hatte auch noch nie bemerkt, dass ein Fisch so farbenprächtig sein kann. Man kam nach langen Beratungen überein: Das war kein Fisch, sondern ein Vogel. Und somit musste er auch singen können. Er konnte es aber nicht, darum brachte man es ihm bei. Der „Vogel“ aber erlag den Qualen des Singenlernens, und ein Pettnauer hat bedauernd gemeint: „Dabei ist dear Vogl so gleahrig (gelehrig) gewesn, hat schon’s Maul weit augrissen, und bevor er die ersten Töne außerbracht hat, da isch er eingangen!“ Keine gute Geschichte für Tierschützer.
Enterwassler
So werden jene Bewohner auf der „Schattenseite“ von Kematen bis Flaurling von den Zirler genannt. Die Zirler behaupten, die Enterwassler gingen nur deshalb während der Fastenzeit auf den Kalvarienberg, um „aufzutauen“.
Zirler Goaßer
Es gab einen bekannten Hirten, den „Zirler Goaßer“. Dieser Goaßer war ein Original. Es wurden heitere oder dumme Ereignisse, die mehreren Goaßern zugestoßen waren, einem, eben diesem zugeschrieben. Immer wieder hörte man die Innsbrucker spotten: „Zirler, Zirler Goaßer, frißt die Knödl hoaßer oder bloaßer!“ Der Zirler „Wirler“, ein Maisgericht der Zirler, weil dort viel Mais angebaut wurde, brachte ihnen folgenden Spruch ein: „Zirler Wirler, Stamser Kas, Tuifl, Taifl, isch dös a Gfraß!“ Und noch einen gibt es: „Die Zirlar, ja die Zirlar habn groaße Häusar, sein untn laar und obn laar, drum hoaßt man sie die Zirlaar!“
Pfoatsoacher
Hier weiß man nicht, warum die Pfaffenhofener von den Oberhofenern so genannt werden, man kann es nur erahnen. Ich möchte mir die Erklärung nicht vorstellen… blöd. Zu spät.
Krotnmelcher
In Pollings sauren und moosigen Wiesen hatten sich Frösche und Kröten breitgemacht. Ob diese wirklich von den Pollingern gemolken worden sind, halte ich für eher zweifelhaft.
Innsbrucker Karpfen
Ähnliche Geschichte wie bei den Pettnauern Fischsinger. Hier wurde ein wunderschön bunter Karpfen gefangen. Der Bürgermeister verurteilte den vermeintlichen „Vogel“, der partout nicht singen wollte, sondern nur das Maul aufriss, zum Tod durch Ertrinken. Was den Karpfen sicherlich gefreut hat.
Koatlackn
Bis heute Spitzname für einen der urigsten Stadtteile Innsbrucks. Muss man wohl auch nicht näher erklären.
Höttinger Nudelsetzer
Hierzu gibt es eine Geschichte. Die (einst) armen Bewohner Höttings (welches bis 1938 übrigens ein eigenes Dorf war, sogar das größte Österreichs) dachten sich, statt immer teures Mehl für die Produktion zu kaufen, könnten sie die Nudeln doch einfach anpflanzen. Bei den Erbsen funktionierte es doch auch! Leider gab es keine Nudelernte. Bis heute gibt es die Fasnachtszeitung „Höttinger Nudl“ und erinnert an diese Anekdote.
Aldringer Schimmelfärber
Die „Aldringer“ war die alte Bezeichung der Aldranser. Die alte Chronik von Aldrans erzählt, dass im vorigen Jahrhundert beim Martinifest immer einer der Dorfältesten als heiliger Martin verkleidet, auf einen Schimmel reitend, die kirchliche Prozession um das Dorf begleiten musste. Als einmal kein Schimmel aufzutreiben war, färbten die Aldranser einen Braunen einfach weiß ein. Als es zu regnen begann, wurde der Schimmel enttarnt.
Kirchenschieber
Die Schmirner im Wipptal hatten einst beschlossen, dass ihre Kirche viel zu nahe am Bach stünde. Tatsächlich, bei Hochwasser gab es Wasser in der Sakristei und im Kirchenschiff. Nach langen Beratungen kam man überein, die Kirche weiter weg in die Wiese zu schieben. Freudig stellten sich alle kräftigen Schmirner zur Verfügung. Der Bürgermeister ging mit gutem Beispiel voran. Er zog seinen Jangger (Jacke) aus und legte ihn in die Wiese. So markierte er zugleich die Stelle, wo die Kirche stehen sollte. Der Bürgermeister gab das Kommando zum Schieben: „Ho ruck! Ho ruck!“ Die braven Schmirner zogen und schoben nach Leibeskräften. Nach einer Zeit ging der Bürgermeister nachschauen, wie weit man mit dem Schieben und dem Ziehen gekommen sei. Er konnte seinen abgelegten Jangger nicht mehr finden und glaubte, man hab die Kirche über ihn hinweggeschoben und -gezogen. Darauf schrie er: „Haalt! Halt! Hebts ein mitn Schiabn und Ziechn, mir sein schon übern voargsöchenen Platz außi!“ Und so glauben die Schmirner angeblich noch heute, dass ihre Kirche auf einem Jangger stehe.
Haller Kübel
Bei einer Himmelfahrtsfeier in der Haller Pfarrkirche sei der Strick, mit dem die Gestalt des Heiland in die Höhe gezogen wurde, gerissen. Die Statue sei zu Bode gefallen und zerbrochen. Daraufhin habe man die Einzelstücke in einem Kübel gesammelt und noch einmal in die Höhe gezogen, treu dem Grundsatz: „Aui muaß er!“ Man muss sich nur zu helfen wissen.
Gelbbäuch
Man weiß nicht, ob die Weerberger so genannt werden wegen der dort häufig vorkommenden Goldammern (Vogelart) oder wegen des gelben Brustlatzes in ihrer Tracht. Man sagt auch, „es gibt dreierlei Leut: Manderleut, Weiberleut und Weerberger“. Was immer das auch bedeuten mag.
Schwazer Rappn
Nach der Brandschatzung durch Franzosen und Bayern im Jahre 1809 waren die Schwazer in großer Bedrängnis. Sie bettelten sich in der ganzen Gegend herum, um dem Hungertod zu entgehen. Die Herkunft des Übernamens Schwazer Rappn (Raben) erklärt dieser Spruch: „Wenn a Rapp über Schwaz fliagt, schaug’t er z’rugg, ob er wohl no alle Schwanzfedern hat.“ (Diesen Spruch gibt es angeblich auch für die Thaurer). Ja, auch vor der Not machten solche Namen keinen Halt.
Froschmaggern
Gemeint sind die Strasser Frösche oder Froschmaggern (auch Aschau). Dort war die Gegend früher fast sumpfig und somit gab es viele Frösche. Hochwasser stand oft auf dem Programm. Deshalb sagte man den Strassern auch nach, dass sie zweimal sterben. Einmal im Bett und das zweite Mal im Wasser, weil der Friedhof fast jedes Jahr vom hochgehenden Inn überschwemmt wurde.
Ampellecker
Die Fügener sollte einmal das Öl im Ewigen Licht für roten Wein gehalten und es ausgeschleckt haben. Deshalb wurden sie mit „Fügener Ampellecker“ benamst.
Rattenberger Ratzen
Möglicherweise waren früher viele Innüberschwemmungen, die eine Rattenplage in dem Städtchen mit sich brachten. Daher der Name.
Wörger Bruggnhocker
Jeden Abend traf sich die Wörgler Jugend auf der Brücke zum „Hoangart“ (Tratsch), daher der Name. Die Brücke wurde 1933 abgetragen.
Katzntaffer
Die Oberauer in der Wildschönau bezeichnete man so, weil der dann abgesetzte Vikar Johann Baptist Haan aus Protest darüber, dass er die heiligen Öle von der Mutterkirche in Kundl holen musst, in gottelästernder Weise eine Katze getauft hatte.
Die Oberauer werden auch „Oberauer-So“ genannt. Auch sie haben ein Lieblings-Beiwort, das sie bei allen möglichen Gelegenheiten gebrauchen, das „so“. „Gehst mit mir mit, so?“
Weggalfresser
Die Thierbacher hatten keine eigene Bäckerei. Wenn sie ins Inntal kamen, kauften sie gerne ein Weinbeerweggele und verzehrten es am Heimweg mit Genuss. Heute noch sagen die Thierbacher „Wett ma a Weggal?“
Wasserstiefel
Es dürfte in Kirchberg genug nassen Boden gegeben haben. So viel, dass er Name gerechtfertigt schien.
Boahnstingl
Das heutige Bad Häring war einst ein arme Gegend und die Saubohnen waren die Hauptnahrung. Diese Saubohnen werden auch heute noch mit Kartoffeln gegessen. Darum ist der alte Name Häringer Boahnstingl auch heute noch nicht veraltet.
Greifbeitler
Die Walchseer bekamen diesen Namen, weil sie angeblich einem rechten Raufhandel nicht abgeneigt gewesen waren und dabei einen gewissen Griff gerne angewendet haben.
Sunnaklammperer
Im Winter ist den Hochfilzern die Sonne viel zu früh verschwunden. Vor einigen Jahrhunderten kamen die Hochfilzener auf den Gedanken, die Sonne anzuklammern. Im Sommer, wenn die Sonne an die Hauswände hin brannte, hat man die Sonne mit Eisenklammern festhalten wollen, „dass ma hoid in Winta a nu a Sunn hat!“
Stiermotzer
Angeblich wollte eine Sennerin aus St. Johann einen Stier melken. „Motzen“ sagt man zu den Anfangsbewegungen beim Melken zum Steifmachen der Tutten (Zitzen).
Eseltaler
Diese Bezeichnung hat den Iseltalern in Osttirol wohl der ähnliche Wortklang eingebracht.
Mattiger Kälber
Die Lienzer gaben den Matreiern den Namen „Mattiger Kälber“ und wollten damit wohl ausdrücken, dass der Mattiger Lebensstil für eine Stadt zu grobschlächtig wäre.
Virger Drahle
Die Virgener kommen bei den Matreiern nicht gut weg, man nennt sie hier die Virger Drahle. Unter Drahl verstehen die Iseltaler „verdreht sein“, Wortverdreher, heimtückisch und falsch, auch listig, klug, sich einen Vorteil verschaffend.
FAZIT
Viele dieser Namen und Geschichten mögen gemein erscheinen – trotzdem glaube ich nicht, dass sie allzu böse gemeint waren. Denn wie heißt es so schön: „Was sich liebt, das neckt sich.“ Und was ganz sicher ist: Kaum treffen wir uns jenseits der Grenzen unseres kleinen Landes, halten wir zusammen wie Pech und Schwefel! Dann sind wir alle vor allem eins: Tiroler.
Dazu habe ich in dem Büchlein was ganz Schönes über die Villgratener gelesen:
Alles, was der Osttiroler an Schildbürgerstückeln und Dummheiten aufzuweisen hat, schiebt er den Villgratern in die Schuhe. Diese nehmen es mit Gelassenheit auf und denken sich: Miar sein a nit dümmer wia di andern!“
Ich würde eindeutig sagen: Da haben sie vollkommen recht.
Gilt nicht nur für Villgraten.
Sondern für überall.