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1, 2, 3, die Kunst ist frei – der Tiroler Komponist Werner Pirchner
Politisch, klug und lebensfroh: Der Komponist Werner Pirchner (1940 - 2001) hinterließ ein unvergleichliches Gesamtwerk und seine Stücke werden bis heute überall auf der Welt gespielt.
Ein Haus in Innsbruck: Überall schallt, klingt und swingt es, hinter jeder Tür wird geflötet, trompetet oder getrommelt. Bläser und Schlagwerker des Tiroler Landeskonservatoriums haben hier, in der Ingenieur-Etzel-Straße, ihre Proben- und Unterrichtsräume. Und sie haben einen Namenspatron, den Tiroler Musiker Werner Pirchner. Kein Zufall, denn Pirchner war in seiner ersten Karriere als Jazzmusiker ein begnadeter Vibraphonist und schrieb in seiner zweiten Karriere als klassischer Komponist Stücke für Bläser, die heute zum internationalen Standardrepertoire gehören.
Wer den – ganz realen – Pirchner kennengelernt hatte, der erinnert sich an einen klugen, politisch denkenden, lebensfrohen Menschen mit viel Humor. Mit dem Tiroler Autor Felix Mitterer verband Pirchner eine lange persönliche und künstlerische Freundschaft. Er komponierte Musik für dessen Theaterstücke und Filme und machte später aus Theater- und Filmmusiken Konzertstücke.
Ein halbes Doppelalbum und der Untergang des Abendlandes
Auch sonst prägte der Virtuose auf vielfältige Weise die österreichische und die internationale Musiklandschaft. Auf seiner ersten eigenen LP „Ein halbes Doppelalbum“ mischte Pirchner Anfang der 1970er-Jahre Jazz, Volksmusik und Klassik mit satirisch-kritischen Texten und stellte sich damit gegen das traditionelle Tirol, gegen Krieg und Gewalt jeder Art.
Kurz darauf begeisterte er mit dem Kurzfilm „Der Untergang des Alpenlandes“. Mit dem Gitarristen Harry Pepl gründete er das JazzZwio, trat auf internationalen Festivals auf und spielte mit Jazzgrößen wie Jack DeJohnette oder Bobby McFerrin Schallplatten ein.
Mitte der 1980er-Jahre fand Prichner es an der Zeit, die Vibraphonschlägel an den Nagel zu hängen. Fortan widmete er sich – getreu seinem Wahlspruch „1, 2, 3, die Kunst ist frei“ – der Komposition zeitgenössischer klassischer Musik. In der Folge stattete er Aufführungen am Wiener Burgtheater und am Tiroler Landestheater sowie den „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen mit Musik aus.
Jean-Luc Godard verwendete Pirchner-Musik für seinen Film „Nouvelle Vague“, das Wiener Schuberttrio erteilte ihm Kompositionsaufträge. Ab 1994 begann ein Vierteljahrhundert lang jede Sendung des Kulturradiosenders Ö1 mit einer Pirchner-Signation. Es entstanden Kammermusik und Orchesterwerke, Lieder und Ballettmusiken – ein musikalischer Kosmos, der nahezu ohne Vergleich ist.
Hörproben
- Heimat? 1. Satz: Aus dem Nichts?, Interpreten: Eggner Trio
- Sonate vom rauhen Leben, 1. Satz, Interpreten: Werner Pirchner, Siggi Haider
- Bühnenmusik zu "Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter" Nozerl-Lied Interpreten: Erwin Steinhauer, Vienna Brass
- Better Times in Sight, Interpreten: Werner Pirchner, Harry Pepl, Jack DeJohnette
- ein halbes doppelalbum:Bundeslied der Traditionsverbände aller Länder, Interpreten: Werner Pirchner u. a.
Ich bin der Beste in meinem Stil
Das wirkt – nicht nur bei den Studierenden des Konservatoriums – lange nach. Im Innsbrucker Kulturzentrum Treibhaus ziert ein raumhohes Porträt Pirchners den nach ihm benannten Jazzkeller. Auf der ganzen Welt werden seine Werke gespielt, in Bläserwettbewerben dienen sie als Pflichtstücke.
Die Klaviertrios wurden vom Eggner Trio 2016 neu auf CD eingespielt und 2014 widmete ihm der deutsche Regisseur Malte Ludin das vielbeachtete Filmporträt „D.U.D.A.“ Angesichts der ungewöhnlichen künstlerischen Persönlichkeit, die da gezeigt wurde, glaubten viele an ein Mockumentary – eine Doku über eine erfundene Person.
Mit Musik drückte Pirchner die großen Dinge des Lebens aus: Ernst, Traurigkeit, Hoffnung, Freude und die Fähigkeit, sich mit einem Witz aus den schlimmsten Dingen herauszuziehen. Oder wie es Mitterer in seiner Grabrede für Pirchner 2001 formulierte: „Nie zuvor hat ein Komponist alles so fulminant unter einen Hut gebracht; Musik für Hirn, Herz und Bauch hat er uns geschenkt.“
Werner Pirchner Preis des Landes Tirol
Seit 2022 loben das Land Tirol und die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien jährlich den „Werner Pirchner Preis“ für junge Musiker:innen aus dem Bereich der Blasinstrumente aus. Der Wettbewerb wird von Masterclasses und Konzerten der Preisträger:innen begleitet.