Der beste Weg nach oben ist bei Weitem nicht immer der direkte. Gerade beim…
Adam Pustelnik, von Beruf Routenbauer
Text: Philipp Gruber
Der Beruf von Adam Pustelnik erfordert Kreativität, Einfühlungsvermögen und viel Erfahrung. Der Spitzenkletterer ist professioneller Routenbauer und bringt Jakob Schubert und co sowohl bei Wettkämpfen in Innsbruck als auch bei den olympischen Spielen an ihre Grenzen.
Den Chef-Routensetzer bei den Olympischen Spielen in Tokyo kennt man in der Kletterszene schon länger. Adam Pustelnik hat sich im Jahr 2010 als Nummer 14 einen Namen gemacht. Allerdings nicht bei einem Wettbewerb, sondern mit der 14. Begehung der berühmt-berüchtigten Route „Action Directe“ von Wolfgang Güllich, der weltweit ersten Route im Schwierigkeitsgrad XI. Bislang hat diese Route nur 28 Begehungen. Der 40-Jährige sucht heute immer noch gerne sein persönliches Limit am Fels, kreiert aber genauso gerne künstliche Kletterrouten für Wettkämpfe. Im Interview erzählt Adam, wie diese Routen entstehen und was seiner Ansicht nach gute Kletterer ausmacht.
Ein kreativer Prozess
Wie denkst du dir eine neue Route aus? Passiert das während dem Routensetzen oder hast du schon vorher einen Plan? Welchen Einfluss haben die verschiedenen Griffarten auf die Entstehung einer Route?
Routen zu setzen ist ein kreativer Prozess. Ich denke, dass viel von der Persönlichkeit des Routensetzers und der Dynamik des Teams, das an den Routen arbeitet, abhängt. Für einen guten Arbeitsablauf ist es wichtig, die Platzierung der Route an der Wand zu planen, einen Überblick über den Zeitplan zu haben und mögliche Szenarien der allgemeinen Schwierigkeit der Route zu besprechen. Soll z.B. bereits der Start schwierig sein oder soll die Schwierigkeit im Routenverlauf zunehmen? Alles andere passiert, wenn das Team beginnt, das vorhandene Material durchzugehen und auf kreative Weise damit zu "spielen", immer auf der Suche nach interessanten Passagen zum Klettern und Beobachten.
Jeder Routensetzer hat seinen eigenen Stil. Wie würdest du deinen Stil beim Erstellen von Kletterrouten beschreiben?
Ich würde diese Frage von der anderen Seite betrachten: Jeder Kletterer hat seinen eigenen Kletterstil. Jeder von uns hat einen anderen Körperbau, eine andere Persönlichkeit, geht andere Risiken ein. Meine Aufgabe als Routensetzer ist es, ein faires und vielseitiges Spielfeld zu schaffen, das den Athleten den Raum gibt, ihr Bestes zu zeigen und damit zu gewinnen. Eine Route soll zeigen, wie vielfältig und abwechslungsreich Klettern sein kann.
Grenzen austesten
Du kletterst selbst in den höchsten Schwierigkeitsgraden, aber bei Wettbewerben wie zum Beispiel Olympia geht es darum, das Limit zu pushen, die Teilnehmer zu möglichen neuen Höchstleistungen zu bringen. Kannst du alle Routen, die du schraubst, selber klettern? Wenn nicht, nach welchen Kriterien schraubt man eine Route, die man selber nicht klettern kann?
Als Routensetzer müssen auch wir trainieren und uns vor allem auf die wichtigsten Events vorbereiten. Aber es sind natürlich die Athleten, die beweisen, wie weit man an die Grenzen dieses Sports gehen kann. Beim Routensetzen testen wir alle Bewegungsabläufe und lassen keine Bewegung oder Sequenz zum Wettkampf zu, die nicht vom Routensetzer gemacht wurde. Unsere Fähigkeiten im Routenbau basieren sehr stark auf unseren Erfahrungen und darauf, das Niveau der Sportler so gut wie möglich zu kennen. Wir klettern wir die Routen aber nicht unter den gleichen Bedingungen wie die Athleten. Wir haben kein Zeitlimit für Boulder und da wir die Routen selbst setzen, kennen wir die Griffe, an denen wir z.B. einen dynamischen Zug ausführen würden.
Man braucht Kraft und Technik, um eine schwierige Route zu klettern. Wie denkst du, ist das Verhältnis? Ist die Technik wichtiger oder ist es die Kraft?
Ich denke, der Kopf und das Herz gehen vor.
Was ist für dich der Unterschied zwischen Wettkampfklettern und Outdoor-Klettern?
Für mich sind es verschiedene Bilder von Aktivitäten, die mein Leben in vielerlei Hinsicht bestimmen. Ich war nie ein guter Wettkämpfer, da ich nie eine Wettkampfmentalität hatte und unter Zeit- und Publikumsdruck nicht gut abschneiden konnte. Ich habe es immer mehr genossen, draußen zu sein und zu klettern, wann und worauf ich Lust hatte. Aber der Wettkampf ist so ein dynamischer und interessanter Teil des Kletterns und ich schätze das Routensetzen als einen sehr kreativen Weg.
Wie unterscheiden sich Damen- und Herrenrouten? Worauf musst du beim Routensetzen besonders achten, um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden?
Ich denke, der größte Unterschied ist die Gesamtschwierigkeit einer Route. Allerdings ist das Niveau sowohl der besten männlichen als auch weiblichen Athleten nicht so groß, um von großen Unterschieden sprechen zu können. Natürlich gibt es Unterschiede im Körperbau.
Größenunterschiede
Ja, die Athleten sind unterschiedlich groß, auch innerhalb der Männer und Frauen. Kann man überhaupt Routen schrauben, die sowohl für kleine als auch für große Kletterer die gleichen Schwierigkeiten bieten?
Als Routensetzer achten wir darauf, welche Größenunterschiede es zwischen den Teilnehmern gibt und versuchen zu berücksichtigen, dass alle Kletterer in der Lage sein sollten, die Griffe zu erreichen. Über die Schwierigkeit eines einzelnen Zuges zu sprechen und wie es für eine kleine oder große Person aussehen würde, ist sehr subjektiv. Viele Kletterer glauben, dass man es leichter hat, wenn man groß ist, aber das ist nicht immer der Fall. Und am Ende des Tages geht es darum, den Kletterstil an die Route anzupassen: Dynamisch zu klettern, wenn eine langsame Bewegung nicht funktioniert oder, wenn es schwierig wird, die Balance zu halten - und das lässt dann den besten Kletterer gewinnen.
Adam Pustelnik
Am Ende des Tages geht es darum, den Kletterstil an die Route anzupassen: Dynamisch zu klettern, wenn eine langsame Bewegung nicht funktioniert oder, wenn es schwierig wird, die Balance zu halten - und das lässt dann den besten Kletterer gewinnen.