
Ein Online-Festival
als Plan C
Du leitest zum ersten Mal das Internationale Film Festival Innsbruck – ganz kurzfristig ist ein Online-Festival daraus geworden.
Anna Ladinig: Ja, das ist unser Plan C für den Corona-Lockdown. Wir zeigen eine Auswahl an Filmen des IFFI online – und man kann einen Festivalpass erwerben. Die geplanten Wettbewerbe halten wir ebenfalls aufrecht, dazu werden Online-Jurysitzungen stattfinden, die Siegerfilme werden auf unserer Website bekannt gegeben.

„Ar Condicionado“ (Air Conditioner) aus Angola ist einer von zwölf Filmen im Online-IFFI 2020.
Foto: Geracao 80
Der Plan B sah vor, das IFFI vom Mai in den November zu verschieben, aber im Kino durchzuführen. Musste auch das Programm geändert werden?
Wir haben uns auf das Wesentliche konzentriert und das Filmprogramm reduziert. Das Rahmenprogramm mit Diskussionsveranstaltungen und einen Festivaltreffpunkt, wo man nach dem Programm zusammenkommt, mussten wir auch in dieser Version weglassen. Wir wollten ursprünglich Gäste aus Angola, Brasilien, Mexiko und von den Philippinen einladen, aber wir haben schnell gemerkt, dass das auch im Herbst nicht geht. Aber wir haben gelernt, dass wir die Sachen, die wir nicht kontrollieren können, gelassen sehen müssen.
Anna Ladinig – Biografisches
Anna Ladinig wurde 1989 in Innsbruck geboren und studierte Russisch und Italienisch an der Universität Innsbruck. Ihre Masterarbeit im Bereich Slawistik verfasste sie, passend zum Schwerpunkt des Innsbrucker Filmfestivals, zum kirgisischen Kino der 1960er und 1970er Jahre.
Derzeit arbeitet sie an einer Dissertation mit dem Arbeitstitel „De- und Reterritorialisierungen des zentralasiatischen Kinos“.

IFFI 2020 Anna Ladinig, Foto: Michael Klingler
Filminteressierte Leute gehen ins Kino, weil auch das gemeinsame Schauen ein Teil des Erlebnisses ist: die große Leinwand, der Ton, mitzubekommen, dass auch andere lachen müssen.
Siehst du grundsätzlich die Gefahr, dass das Kino von anderen Formaten wie Streaming abgelöst wird?
Ich bin da eher optimistisch. Filminteressierte Leute gehen ins Kino, weil auch das gemeinsam Schauen ein Teil des Erlebnisses ist: die große Leinwand, der Ton, mitzubekommen, dass auch andere lachen müssen, und das Ritual, sich vor dem Film ein Bier zu holen und sich danach mit anderen über das Gesehene zu unterhalten. Außerdem habe ich die Hoffnung, dass sich Kinos mit kuratierten Programmen wie das Leokino, die auch analoges Material zeigen, leichter tun.

Zentralasien beim IFFI: „Murghab“
Foto: Edda Schlager
Auch wenn in diesem Jahr vieles anders ist: Was begeistert dich am Ereignis „Festival“?
Es ist – in dem, was man erlebt – unglaublich dicht: Was man an Filmen sieht, was man an Eindrücken bekommt, aber auch wie man sich austauscht. Es ist ein wahnsinnig sozialer Ort, in dem man sich ungezwungen unterhalten kann.
Für mich als Festivalleiterin sind Festivals außerdem eine Gelegenheit, um Filmschaffende kennenzulernen. Wenn man das eigene Festival vorbereitet, dann ist auch schon ein gewisses Vertrauen da. Man kennt sich und kann sich ein bisschen einschätzen.

Im Dokumentarfilmwettbewerb zu sehen: Die indisch-rumänisch-italienische Koproduktion „A Rifle and a Bag“
Foto: IFFI
Das klingt, als wäre Festivalleiterin dein Traumjob. Deine Ausbildung hat dich aber zunächst in eine andere Richtung geführt …
Ja, zur Slawistik. Ich wollte schon in der Schule immer Russisch lernen. Mich hat die russische Geschichte und die sowjetische Kunst – am Anfang die Avantgarde – fasziniert, aber auch wie sich das Land historisch verändert hat. Die Slawistik in Innsbruck hat glücklicherweise einen Filmschwerpunkt, und für mich hat sich schnell herausgestellt, dass ich in diesem Bereich arbeiten möchte. Als ich mich später für die Leitung des IFFI beworben habe, habe ich erst gemerkt, wie sehr ich das machen will.



Zwei Jurys vergeben den Spielfilm- und den Dokumentarfilmpreis des IFFI, Jurymitglieder sind unter anderen Doris Posch, Varja Mocnik und Arami Ullón
Fotos: Ina Aydogan, IFFI, Laura Rivarola
Geforscht hast du zu einem sehr speziellen Thema, zum kirgisischen Kino in den 1960er- und 1970er-Jahren …
… eigentlich hat es schon mit dem kasachischen angefangen, weil dort in den 1990er-Jahren überraschend moderne und freche Filme entstanden sind. Meine erste Erfahrung als Festivalgestalterin hängt aber mit dem kirgisischen Kino zusammen. 2017 habe ich im Rahmen des IFFI dazu einen kleinen Schwerpunkt programmiert. Da konnte ich die Filme, über die ich in meiner Masterarbeit geschrieben hatte, auch zeigen. Einen von ihnen, den ich bestimmt Hunderte Male gesehen hatte, habe ich da das erste Mal als 35mm-Film auf der großen Leinwand gesehen. Das war ein irres Erlebnis!
Gab es trotz allem auch in diesem Frühjahr ein wenig Festivalerlebnis?
Ja und es war wirklich schön: Die Kinos durften im Mai genau an dem Wochenende wieder aufsperren, an dem das IFFI stattgefunden hätte. Am Mittwoch davor ist die Entscheidung gefallen: Das Leokino sperrt auf. Wir haben dann drei Filme aus unserem IFFI-Programm gezeigt, wussten aber natürlich nicht, was wir erwarten können. Aber es sind Leute gekommen und waren total froh, wieder ins Kino gehen zu können. Viele haben uns die Rückmeldung gegeben: Endlich geht es wieder!
Internationales Film Festival Innsbruck 2020
3.–8.11.2020, Online
Online statt Leokino: IFFI 2020
Foto: Christa Pertl
Das größte Filmfestival Westösterreichs findet 2020 online statt. Anna Ladinig eröffnet das IFFI am 3.11.2020, 18 Uhr, mit einer Videobotschaft.
Gezeigt werden die Filme:
La paloma y el lobo
Ar Condicionado
A febre
This is not a Burrial, It’s a Resurrection
Murghab
A Rifle and a Bag
Los Silencios
Kuessipan
La nación clandestina
La noire de …
Adolf Pichler 20
African Mirror