Tirol Lexikon: Was genau ist eine Alm?
Die Burgeralm. © Tirol Werbung, Frank Bauer
Noch zwei Kehren auf dem Forstweg, der Wald lichtet sich und es öffnet sich ein herrliches Panorama: Inmitten einer Almwiese eine urige Hütte vor hohen Bergen. Ein paradiesischer Ort für eine Einkehr. Also hinein in die gute Stube oder auf die Sonnenterrasse und eine „Brettljause“ mit frischen Almprodukten genießen: Frische Almmilch, lange gereifter Almkäse oder Produkte vom Tiroler Almvieh.
Auf Tiroler Almen halten sich Rinder, Pferde, Schafe und Ziegen zur „Sommerfrische“ auf. Das hängt mit einer Wirtschaftsform zusammen, die einer Jahrtausende alten Tradition entspringt: In Tirol wird das Vieh auf Hochweiden „gesömmert“. Hier finden sich ausreichend saftige Gräser, während am Talboden die Futterweiden geschont werden. Der gesunde Auslauf kommt dem Tierwohl zusätzlich zugute.
Die Junsalm. © Tirol Werbung, Maren Krings
Auch Genussmenschen profitieren vom reichen Angebot der Bergnatur: Bei den Rindern, die zur Fleischproduktion verwendet werden, sorgt die Alpung für gute Muskulatur. Milchkühe wiederum geben im Almsommer besonders gute Milch, was sich auch auf die hohe Butter- und Käsequalität auswirkt. Viele Almen sind in zwei Höhenstufen aufgeteilt, so kann das Vieh im Verlauf des Sommers in höhere Lagen und wieder zurück getrieben werden – je nachdem wo gerade die frischesten Gräser wachsen.
Viele Arten von Almen
Ja, es schmeckt besonders gut auf der Alm. Aber nicht das Almgasthaus ist ausschlaggebend, ob es sich um eine „bewirtschaftete Alm“ handelt. Es kommt auf die Tiere an, mit denen eine Alm mindestens 60 Tage im Sommer „bestoßen“ wird. Das muss landwirtschaftliches Nutzvieh sein, ein Streichelzoo gilt nicht.
Die Almenhütten sind meistens besonders gemütlich. © Tirol Werbung, Bert Heinzlmeier
Deshalb gibt es Kuh- und Rinderalmen, Kälberalmen, Schafalmen, Pferdealmen oder gemischte Almen. Auf „Melkalmen“ werden die Kühe gemolken, die Milch wird zum Milchhof oder zu einer Sennerei ins Tal transportiert. Auf „Sennalmen“ wiederum wird Almkäse direkt vor Ort erzeugt. Diese Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung erfordert, obliegt den Sennerinnen und Sennern.
Die Hirten und Hirtinnen wiederum haben die Aufgabe, das Vieh zu hüten. Meistens werden sie auch zum Melken eingesetzt, denn das Personal auf der Alm ist knapp. Und ohne freiwillige Unterstützung zum Beispiel beim „Schwenden“ – dem Entbuschen und Entsteinen der Almweiden – könnten viele Almen nicht existieren.
Die Binsalm. © Tirol Werbung, Frank Bauer
Die Alp, ein Traum?
Während die Gäste sich an der Idylle erfreuen, bietet der Alltag der Menschen, die auf der Alm arbeiten nur bedingt Romantik. Den ganzen Sommer ist harte Arbeit angesagt, sieben Tage pro Woche. Aufgestanden wird in aller Herrgottsfrühe, bevor noch der erste Sonnenstrahl über die Berggipfel lugt. Es gibt viel zu tun: Die Rinderherde wird auf die nächste Weide getrieben, das Milchvieh gemolken.
Abgängige Tiere müssen gesucht, Zäune geflickt werden. Auch das Käsen erfordert Aufmerksamkeit und der junge Käse braucht sorgsame Pflege. Milchgeschirr und Sennkessel werden nach Gebrauch auf Hochglanz geputzt. Und sollte sich ein Tier verletzen, müssen die Hirten wissen, was zu tun ist. Das ist besonders bei abgelegenen Almen wichtig, wo man nicht gleich tierärztliche Hilfe bekommt.
Käserei auf der Peeralm. © Tirol Werbung, Frank Bauer
Dennoch nehmen die Almbäuerinnen und Almbauern mit großem Einsatz und Stolz die Mühen auf sich. Damit tragen sie wesentlich zum Erhalt der Tiroler Kulturlandschaft und zur Sicherheit der Täler bei, denn bewirtschaftete Almen schützen vor Lawinen, Steinschlag und Muren. Auch für die Biodiversität sind Almen wichtig: Am Talboden wachsen durchschnittlich sieben, auf guten Almwiesen bis zu 70 verschiedene Kräuter pro Quadratmeter.
Tiroler Almkultur in Zahlen
- Auf mehr als 2.000 Almen wird eine Fläche so groß wie Mallorca bewirtschaftet.
- Davon ist jede sechste Alm nur über einen Fußweg oder mit einer Seilbahn erreichbar.
- Mehr als die Hälfte aller Tiroler Milchkühe gehen auf Sommerfrische, das sind an die 30.000 Stück.
- Zudem verbringen 80.000 Stück Galtvieh (junge Kühe, die noch keine Milch geben), 70.000 Schafe und 3.000 Pferde die warme Jahreszeit in der Höhe.
- Etwa die Hälfte der Tiroler Almen befindet sich in Privatbesitz, der Rest wird gemeinschaftlich bewirtschaftet.
- Einige Almen sind bis zu 50 km von ihren Bauernhöfen entfernt.
Vom Auftrieb und Abtrieb
Die Tiere, die im Frühsommer auf die Almen aufgetrieben werden, gelangen entweder bequem mit dem Viehtransporter oder zu Fuß über steile Wege zu ihrem Urlaubsort. Manche Herden legen besonders weite und schwierige Wege zurück, zum Beispiel beim großen Schafauftrieb vom Südtiroler Schnalstal ins hintere Tiroler Ötztal. Diese Form der Jahrtausende alten Fernweidewirtschaft nennt man „Transhumanz“ und gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Am Ende der Almsaison, wenn das Vieh festlich geschmückt zu Tal getrieben wird, sind die Fußmärsche weniger anstrengend. Es geht abwärts, außerdem wurden die Tiere im Sommer fit. Aber selbst gebirgstauglichen Kühen kann etwas passieren. Almbauern wissen, dass ein Sommer ohne Unfälle im schwierigen Gelände nicht selbstverständlich ist. Bleiben Mensch und Tier unversehrt, wird das im Herbst beim Almabtrieb ausgelassen gefeiert.
Geschmückte Kuh beim Almabtrieb. © Tirol Werbung, Bernhard Aichner
Sicher auf der Alm unterwegs
Wenn es auf Almen zu gefährlichen Zwischenfällen kommt, liegt das oft daran, dass sich Almgäste nicht auf den ausgeschilderten Wegen halten oder zu beherzt auf Kühe zugehen. Vor allem bei Mutterkühen, die ihre Kälber beschützen wollen, ist Vorsicht geboten. Wenn sich Kühe und Hunde begegnen, gilt eine Grundregel: Vierbeiner immer an der kurzen Leine führen! Ist ein Angriff durch eine Kuh abzusehen: Sofort ableinen und den Hund loslassen! Aber mit dem angemessenen Respekt vor der Natur sind Almausflüge ein unvergesslich schönes Erlebnis.