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Tirol verstehen. Ein Grundkurs

25.10.2023 in Unterhaltung

Wilder Kaiser, Walleralm, Stöffelhütte, Hansi Hinterseer, © Tirol Werbung - Janine Hofmann © Tirol Werbung - Janine Hofmann

Was macht Tirol so einzigartig? Wie ticken die Bewohnerinnen und Bewohner und was sollte man wissen, um hier gut über die Runden zu kommen? Eine augenzwinkernde und nicht ganz klischeefreie Annäherung an die Tiroler Gepflogenheiten, Eigenheiten und Traditionen.

1 • Du wirst niemals ALLES verstehen

Eines solltest du dir von Anfang an bewusst sein: Du wirst die Tirolerinnen und Tiroler niemals vollumfänglich verstehen. Das ist allerdings nicht schlimm, denn der Autor dieser Zeilen ist ein gebürtiger Tiroler und lebt seit dreieinhalb Jahrzehnten in diesem schönen Bundesland – dennoch entdeckt er immer noch regelmäßig ihm unbekannte Bräuche, Dialektwörter, Gerichte und regionale Eigenheiten.

2 • Nord oder Ost, unten oder oben, talein oder talaus?

Mittig im Bild: Die Grenze zwischen Oberland und Unterland liegt beim Einfluss der Melach in den Inn bei Zirl., © Tirol Webung - Stefan VoitlMittig im Bild: Die Grenze zwischen Oberland und Unterland liegt beim Einfluss der Melach in den Inn bei Zirl. © Tirol Webung - Stefan Voitl

Tirol ist nicht gleich Tirol. Denn ob man aus dem Ober- oder Unterland, aus dem hinteren Zillertal oder dem vorderen Ötztal, aus Nord- oder Osttirol kommt, bringt große Unterschiede in Sprache, Tradition und Lebensstil mit sich. Die Menschen aus dem Unterland gelten beispielsweise als besonders gesellig – daher gibt es die landläufige Meinung, dass eine Beerdigung im Unterland immer noch lustiger sei als eine Hochzeit im Oberland. Den Bewohner:innen der Landeshauptstadt Innsbruck unterstellt man wiederum gerne, dass sie etwas hochnäsig seien und sich für etwas Besseres hielten. Der Verfasser dieses Textes kann die Vorurteile nicht bestätigen. Ihr macht euch also am besten selbst ein Bild von den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Tirolerinnen und Tiroler.

3 • Vaschtesch mi nit?!

Grundkurs Tirol verstehen - Hä?

Wenn man über Tirol schreibt, kommt man am Thema Sprache nicht vorbei. Ja, wir sind uns sicher, wir sprechen Deutsch, aber die Bandbreite der verschiedenen Dialekte und regionalen Begrifflichkeiten zwischen Kufstein und Reutte ist enorm groß. Was in einem Tal akzeptiert wird, outet dich in einem anderen schnell als zuagroast (nicht-einheimisch). Natürlich kommt man auch mit Hochdeutsch über die Runden, aber es schadet nicht, ein paar Begriffe schon einmal gehört zu haben, um in Tirol zurechtzukommen. Zu den Basics gehören aui (hinauf), oi (hinunter), Griaß di (Grüße dich), Pfiat di (auf Wiedersehen), mogsch (magst du), schian (schön), schiach (nicht schön). Sollte man einmal etwas nicht verstehen, dann einfach mit einem beherzten Ha? oder Wos? (Wie bitte?) nachfragen, dann wird einem schnell weitergeholfen. Oder man wird belächelt, weil man patschert (ungeschickt) versucht, den Tiroler Dialekt zu imitieren.

4 • Ein engstirniges Bergvolk?

Harte Schale, weicher Kern: in Wahrheit sind wir durchaus herzlich., © Tirol Werbung - Peter NeusserHarte Schale, weicher Kern: in Wahrheit sind wir durchaus herzlich. © Tirol Werbung - Peter Neusser

Die Tiroler:innen mögen im ersten Moment manchmal etwas schroff wirken, was aber (zumeist) an der Sprache liegt, die für Nicht-Einheimische hart klingen kann. Dazu kommt, dass wir schnell zum „Du“ übergehen. Kommt man mit einem Tiroler oder einer Tirolerin ins Gespräch, merkt man rasch, dass wir durchaus ein herzliches und gastfreundliches Volk sind, das offen für andere Menschen, Kulturen und Ansichten ist. Ich muss dennoch zugeben, dass wir in manchen Dingen felsenfest von unserer Meinung überzeugt sind, vor allem wenn es um Wetterprognosen, Berggipfel oder die richtige Zubereitung von Kaiserschmarren (siehe Kulinarik in Tirol) geht. Aber sind wir uns ehrlich: Da kann uns tatsächlich niemand etwas vormachen. 😉

5 • Oana geht no! Die Tiroler Geselligkeit

Grundkurs Tirol verstehen - Prost

Wird man von den Einheimischen ins Herz geschlossen, lernt man die wahre Gastfreundschaft der Tiroler:innen kennen. In den Stuben und Wohnzimmern geht es dann sehr gesellig zur Sache, manchmal bis tief in die Nacht. Beim Watten (Kartenspiel), Ratschn (Quatschen), Musizieren und gemütlichen Z’ammhockn (Zusammensitzen) tischt die Gastgeberin oder der Wirt dann gerne das ein oder andere Schnapsl auf. Einen Satz bekommt man an solchen Abenden garantiert öfters zu hören: Oana geht no! (Ein Gläschen trinken wir noch!)

6 • Home is where the mountains are

Zwei Hausberge auf einen Streich: Die Nordkette vom Patscherkofel aus betrachtet., © Tirol Shop - Markus JeneweinZwei Hausberge auf einen Streich: Die Nordkette vom Patscherkofel aus betrachtet. © Tirol Shop - Markus Jenewein

Wir Tiroler:innen lieben die Berge und sind mächtig stolz auf unsere Almen und Gipfel. Jede Region hat ihren eigenen Hausberg, die Landeshauptstadt Innsbruck mit dem Patscherkofel und der Nordkette sogar zwei. So kommt es, dass wir – wenn wir unsere geliebte Heimat mal verlassen müssen – schon nach wenigen Stunden auf der Autobahn den Blick auf unsere Bergwelt vermissen. Tja, was soll man machen, dahoam ist es halt doch am schönsten oder anders gesagt: Ein Leben ohne Berge ist möglich, aber sinnlos.

7 • Schnee, juche!

Es gibt so viele Gründe, Schnee zu lieben - eine wilde Schneeballschlacht gehört in jedem Fall dazu!, © Tirol Werbung - Ramon HaindlEs gibt so viele Gründe, Schnee zu lieben - eine wilde Schneeballschlacht gehört in jedem Fall dazu! © Tirol Werbung - Ramon Haindl

Der Schnee gehört zu Tirol wie das Meer zu Italien. Dementsprechend groß ist die Freude, wenn – oftmals schon im November – die ersten Schneeflocken bis ins Tal fallen. Von Kindesbeinen an lernen wir, mit Schnee umzugehen, egal ob als Kleinkind auf der Tellerrodel, beim Schneemann bauen im Kindergarten oder bei wilden Schneeballschlachten auf dem Schulweg. Zudem sind wir Weltmeister im Schneeräumen: Sobald die ersten Zentimeter Neuschnee liegen, holen wir die Schaufel raus, um unsere Einfahrten und Parkplätze pipifein freizramen (gründlich freizuschaufeln). Am besten ein kleines bisschen sorgfältiger als der Nachbar nebenan.

8 • Es lebe der Sport

Grundkurs Tirol verstehen - Hart Glücklich

Wenn es in Tirol schneit, denkt man sofort auch an Sport. Es gibt kaum eine Wintersportart, die es hier nicht gibt: Skifahren, Snowboarden, Langlaufen, Rodeln und Skitouren sind die Klassiker. Aber wisst ihr auch, was Freeriden, Snowkiten, Schneeschuhwandern oder Figeln ist? Sportlich sind die Tiroler:innen aber nicht nur im Winter, sondern das ganze Jahr über: Am Feierabend, an Wochenenden und manchmal schon frühmorgens vor der Arbeit geht es aufn Berg auffi, egal ob zu Fuß, mit dem Rad oder auf einem Klettersteig über die steile Felswand. Es gibt kaum jemanden in Tirol, der nicht zumindest 3-4 Sportarten regelmäßig betreibt – oftmals bis ins hohe Alter.

9 • Kulinarik in Tirol: Kaspressknödel, Kasspatzln und Kaiserschmarrn

Kaiserschmarrn und Knödel haben gleich zwei Dinge gemeinsam: fast jede Familie hat ihr eigenes Rezept dafür und es ist schier unmöglich, ihrer Versuchung zu widerstehen., © Tirol Webung - Verena KathreinKaiserschmarrn und Knödel haben gleich zwei Dinge gemeinsam: fast jede Familie hat ihr eigenes Rezept dafür und es ist schier unmöglich, ihrer Versuchung zu widerstehen. © Tirol Webung - Verena Kathrein

Die traditionelle Tiroler Küche ist deftig, g’schmackig und ehrlich. Auf der Alm serviert man vor allem Knödel (Speckknödel, Kaspressknödel oder Spinatknödel), Kasspatzln und das Tiroler Gröstl. Anschließend teilt man sich gerne eine große Pfanne Kaiserschmarren. Mit dieser Unterlage klettert nicht nur der Bergfex (leidenschaftlicher Bergsteiger), sondern auch der Blutzuckerspiegel in ungeahnte Höhen! Junge Köch:innen bringen seit ein paar Jahren frischen Wind in Tirols Gastronomie. Sie verleihen den traditionellen Gerichten einen modernen Touch und setzen zunehmend auch auf vegetarische/vegane Küche, was bei manch‘ alteingesessenem Tiroler ein skeptisches Stirnrunzeln auslöst.

10 • Bisch dabei? Im Verein statt allein

Über 200 Schützenkompanien kümmern sich in Tirol um Brauchtumspflege wie etwa Prozessionen und Herz-Jesu-Feuer, © Tirol Werbung - Bernhard AichnerÜber 200 Schützenkompanien kümmern sich in Tirol um Brauchtumspflege wie etwa Prozessionen und Herz-Jesu-Feuer © Tirol Werbung - Bernhard Aichner

Seit jeher wird in Tirol das Vereinswesen hochgehalten. Beinahe jede noch so kleine Gemeinde hat ihre Musikkapelle, ihre Schützen, eine freiwillige Feuerwehr und einen Fußballverein. Alle Altersgruppen kommen hier zusammen, was das Miteinander der Dorfgemeinschaft stärkt und wichtig für das soziale Gefüge ist. Bei Zeltfesten wird dieses Gemeinschaftsgefühl dann auch zünftig ausgelebt – eine gute Gelegenheit, um die Vereinskassen zu füllen und die Lederhose bzw. das Dirndl wieder einmal auszuführen.

11 • Mogsch du mi? Flirten in Tirol

Eine gemeinsame Wanderung bringt in jedem Fall schon mal näher, © Tirol Webung - Hans HerbigEine gemeinsame Wanderung bringt in jedem Fall schon mal näher © Tirol Webung - Hans Herbig

Wie flirtet man in Tirol? Da muss ich euch enttäuschen, darauf gibt es keine eindeutige Antwort und kein allgemein gültiges Rezept. Grundsätzlich würde ich behaupten, dass in Tirol im Alltag – sagen wir mal – eher subtil geflirtet wird, bei Zeltfesten, Festivals und Partys wiederum geht es meist sehr direkt zur Sache. Ein paar Flirt-Dialektwörter schaden jedenfalls nicht, um das Herz eines Tirolers oder einer Tirolerin zu erobern. Außerdem schätzen wir Ehrlichkeit, Humor, Spontanität und gemeinsame sportliche Aktivitäten (siehe „Es lebe der Sport“).

12 • Echt bärig! Weltberühmt in Tirol

Geht es um die Geschichte Tirols, fällt unweigerlich der Name Andreas Hofer, der als großer Freiheitskämpfer gilt – wobei dieser Mythos inzwischen durchaus auch kritisch betrachtet und der „Heldenstatus“ hinterfragt wird. In jüngeren Jahren kommen Tirols Berühmtheiten meist aus der Musik- und Sportwelt. Wer sich hier keine Blöße geben möchte, sollte schon einmal von Schlagersänger Hansi Hinterseer gehört haben, der mit seinem bärig (toll, wunderbar) ein Tiroler Kultwort über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht hat. Bis in alle großen Fußballstadien der Welt haben es die Hits von „unserem“ DJ Ötzi geschafft, von „Hey Baby“ bis zu seiner Partyversion von „Sweet Caroline“. Einen besonderen Stellenwert haben natürlich auch unsere legendären Skirennläufer:innen wie Toni Sailer, Karl Schranz und Traudl Hecher, die den Skisport in Tirol maßgeblich vorangetrieben haben.

13 • Glaube und Aberglaube

Fasnacht, Prozessionen, Sonnwendfeuer, Almabtriebe, Krampusläufe und Rauhnächte sind nur einige der seit Jahrhunderten gelebten Traditionen in Tirol., © Tirol Werbung - Oliver SoulasFasnacht, Prozessionen, Sonnwendfeuer, Almabtriebe, Krampusläufe und Rauhnächte sind nur einige der seit Jahrhunderten gelebten Traditionen in Tirol. © Tirol Werbung - Oliver Soulas

Wenn du das „ursprüngliche“ Tirol erleben möchtest, solltest du dir unsere Bräuche ansehen. Jede Region pflegt ihre ganz eigenen Traditionen, die ihren Ursprung meist im Glauben oder Aberglauben der Bevölkerung haben. Sei es die Fasnacht, in der mit prachtvollen Masken und aufwendigen Kleidern die Lebensgeister beschworen werden, das Herz-Jesu-Feuer mit den spektakulären Bergfeuern oder die Krampusläufe, um die bösen Geister des Winters zu vertreiben. Eine lange Tradition haben auch die kirchlichen Festlichkeiten in Tirol, vor allem rund um Ostern, Pfingsten und Weihnachten.

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Ein Tiroler mit Herz für Natur, Kultur & Kulinarik. Für Elias Kern darf es ein bisschen was von allem sein: Lebhafte Städte und beschauliche Dörfer, tiefe Gewässer und hohe Berge, laute Konzerte und leise Kinosäle, scharfes Curry und süße Marillenknödel.

Elias Kern
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