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Schutz und Erinnerung: das Alpinarium in Galtür

Aktualisiert am 30.10.2023 in Kulturleben, Fotos: Günter Wett, Titelfoto: TVB Paznaun-Ischgl

Zum Dorf hin öffnet sich das Alpinarium Galtür den Besucher:innen. Die mächtige Lawinenschutzmauer an seiner Rückseite schützt vor Naturgefahren vom Grieskopf.Zum Dorf hin öffnet sich das Alpinarium Galtür den Besucher:innen. Die mächtige Lawinenschutzmauer an seiner Rückseite schützt vor Naturgefahren vom Grieskopf.

Das Alpinarium Galtür vereint den Schutz vor Lawinen mit einem Erlebnismuseum. Denn nach der Lawinenkatastrophe von Galtür im Jahr 1999 benötigte der Ort im Tiroler Paznauntal eine mächtige Schutzmauer gegen die alpinen Naturgefahren. Mit dem Bau entstand gleichzeitig ein Raum für Erinnerung, Forschung und Austausch, in dem auch Natur und Kultur der Region in Szene gesetzt werden.

Wo sich das Ende des Tiroler Paznauntals zu einem breiteren Hochkessel auftut, liegt auf 1.600 Metern Höhe die kleine Ortschaft Galtür. Im Winter endet hier auch die Straße. Der Ort birgt viele Geschichten und jahrhundertelange Traditionen. Doch es war vor allem die Schicksalsnacht am 23. Feber 1999, die sich ins kollektive Gedächtnis Tirols gebrannt hat: Vom Grat des Grieskopfs löste sich eine Lawine und begrub 38 Menschen unter sich. Ein Teil des Ortsteils Winkl wurde zerstört.

Nach der Katastrophe

Von der Rückseite der Lawinenschutzmauer geht der Blick auf den Hausberg Gorfenspitze.Von der Rückseite der Lawinenschutzmauer geht der Blick auf den Hausberg Gorfenspitze.

In Zusammenarbeit mit dem Galtürer Raumplaner Friedrich Falch wurde nach Plänen der Wildbach- und Lawinenverbauung Imst mitten im Dorf eine Lawinenschutzmauer errichtet. Sie verläuft dort, wo die Lawine die größten Schäden angerichtet hat: 345 Meter lang, 19 Meter hoch, grau und massiv, ist sie zugleich Erinnerungsort und Symbol für einen Neuanfang. An der Dorfseite verleiht die durch Holz geteilte Glasfassade dem Bau ein eher unauffälliges, aber modernes Aussehen. Am Haupteingang bildet die leuchtend weiße Steinwand aus 30 Tonnen schweren Alabastersteinen einen spannungsvollen Kontrast zu dem hinter dem Gebäude aufragenden Massiv des Grieskopfs. Aus der Ferne betrachtet, erweckt die Wand den Eindruck von verdichtetem, hinter Glas gefasstem Schnee. Aber sie steht für Sicherheit: Sie schützt das Dorf, beherbergt im östlichen Abschnitt Einsatzkräfte wie Feuerwehr und Bergrettung und bietet in ihrer Mitte Raum für das eigentliche Herzstück: das Alpinarium – ein Ausstellungs- und Dokumentationszentrum zum Leben im hochalpinen Raum.

Die Alpen im Innenraum

Von alpinistischen Pionierleistungen erzählt das „Orbital“. Berichte von spektakulären Erstbesteigungen zogen schon im 19. Jahrhundert Bergsteiger:innen von weither an.Von alpinistischen Pionierleistungen erzählt das „Orbital“. Berichte von spektakulären Erstbesteigungen zogen schon im 19. Jahrhundert Bergsteiger:innen von weither an.

In dem leicht geschwungenen, knapp 140 Meter langen Baukörper wagte man eine Neuinterpretation des Begriffs „Alpinarium“. Statt eine künstliche Alpenlandschaft im Freien zu inszenieren, verlegte das junge Schweizer Büro Sollberger Bögli Architekten die alpine Thematik in den Innenraum. So konnte es Ausstellungs-, Gedenk- und Seminarräume sowie Klettergarten und Hörsaal inhaltlich und gestalterisch miteinander verbinden und den schützenden Aspekt des Gebäudes hervorheben.

Erlebnisreiche Inszenierung

Die „Kugelkoodinaten“ weiten mit Spiegelungen und Soundinstallation den Raum ins Unendliche. So könnte sich das Weltall anfühlen.Die „Kugelkoodinaten“ weiten mit Spiegelungen und Soundinstallation den Raum ins Unendliche. So könnte sich das Weltall anfühlen.

Im Inneren des Gebäudes zieht der Steinkreis den Blick auf sich, in dem Steine aus der Region zu einer filigranen Installation aufgefädelt sind. Die Dauerausstellung, gestaltet von Holzer Kobler Architekten in enger Zusammenarbeit mit der Galtürer Bevölkerung, beleuchtet verschiedene Aspekte aus Geschichte und Gegenwart des hinteren Paznauntals: „Ganz oben“ erzählt von Menschen, die von hier aus in die Welt reisten, und von anderen, die, von weither kommend, das Dorf für sich entdeckten. Der „Dazwischenraum“ spannt den Bogen von der Besiedelung der Region über die kargen Zeiten, in denen Galtürer:innen in der Ferne ihr Glück suchten, bis zum heutigen – weitgehend sanften – Tourismus. Dem „Galtürer Enzner“ (= Enzian), der im Jamtal, in Larein und Vermunt ausgegraben und in Galtür verarbeitet wird, den Abenteurer:innen aus dem Ort und ihrem „Wirkungskreis“, den berühmten Gästen in ihrem „Dunstkreis“ sind weitere Räume gewidmet. Künstlerin Maria Peters schlug für den Raum „Zu Gast“ ihr Zelt im Jamtal auf, um zu malen, zu zeichnen und zu schreiben. „Orbital“ und „Kugelkoordinaten“ machen schließlich das Abenteuer Berg und die unendlichen Weiten des Weltalls erlebbar.

Gedenken an die Lawine

Die Erinnerung an das Lawinenereignis vom 23. Februar 1999 halten ein „Memento“ des Künstlers Arthur Salner und der Dokumentationsfilm „Galtür, ein Dorf im Gebirge“ von Lutz Maurer lebendig. Seit 2022 wird die ständige Ausstellung durch „Eine Liebeserklärung an das Paznaun“ ergänzt. Sie geht auf Walter Köck zurück, der über Jahrzehnte als Arzt im Paznauntal tätig war. Er war Autor, Redner, Sammler und Funker und hat über ein halbes Jahrhundert die Region und ihre Menschen erlebt, beobachtet und dokumentiert.

Machtvoller Schutz

345 Meter lang ist die Lawinenschutzmauer im Ortsteil Winkl. Ihre Massivität nehmen Besuchende des Alpinariums erst von der Dachplattform aus wahr.345 Meter lang ist die Lawinenschutzmauer im Ortsteil Winkl. Ihre Massivität nehmen Besuchende des Alpinariums erst von der Dachplattform aus wahr.

Bei einem Gang durch die Räumlichkeiten deutet nichts darauf hin, dass die lange, steinerne Lawinenschutz-Aufschüttung an der Rückwand des Gebäudes lehnt – geschweige denn, wie imposant ihre Tragstruktur ist. Erst von der Dachplattform aus, wenn der Blick über die Silvretta im Süden und die Ferwallgruppe im Norden schweift, nimmt man auch die Massivität der Lawinenschutzmauer wahr. Um die notwendige Sicherheit für die Ortschaft zu gewährleisten, wurden in der Konstruktion mehr als 7.000 Kubikmeter Beton und 800 Tonnen Stahl verarbeitet. Die enormen Horizontalkräfte einer möglichen Lawine können so über Wände, Pfeiler und Stützen in den Boden abgeleitet werden.

Damit sind wir wieder bei der Grundidee: Das Alpinarium in seiner Form und mit seinen unterschiedlichen Funktionen ironisiert und verfremdet die Bergwelt und ihre Gefahren, um sie so vom Abrutschen ins Klischee zu bewahren. Das Alpinarium erhebt weder den Anspruch, ein schweigendes Memento zu sein, noch ein Ort der Trauer. Es steht für Bewusstsein, Schutz und – trotz allem – die Liebe zu den Bergen.

Das Alpinarium Galtür ist Träger des österreichischen Museumsgütesiegels, wurde zweimal für den Europäischen Museumspreis nominiert und mit einer Special Commendation der European Museum Academy ausgezeichnet.

Öffnungszeiten: Von Anfang Dezember bis Mitte April und von Pfingsten bis Mitte Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr. Jeden Montag ist Ruhetag.

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Esther Pirchner beschäftigt sich beruflich  - aber vor allem begeistert - mit Musik und Kultur.

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