Liste der schönsten Fasnachten in Tirol.
Thaurer Mullerlaufen: Hexen, Zottler, Krameter
Buntes Treiben: Thaurer Muller in ihren Fasnachtsgewändern
Sie wissen nicht, worum es geht, wenn vom „Einimullen“ „Trestern“ und „Abmullen“ die Rede ist, wenn ein „Zottler“, „Klötzler“ oder „Krameter“ zu sehen ist? Dann wird es Zeit, sich die Fasnachtsfiguren und -bräuche der Thaurer Muller genauer anzusehen.
Die Auftritte der Thaurer Muller bei Bällen, in Gasthäusern, bei Vereinsabenden und anderen Zusammenkünften während der Fasnacht sowie beim alle vier bis fünf Jahre stattfindenden Umzug, dem „Thaurer Mullerlaufen“, sind die besten Beispiele für das sprichwörtliche „bunte Treiben“ im Fasching.
Die Muller gehören zu MARTHA
In die Fasnacht geht man in der Tiroler Gemeinde Thaur in der Nähe von Innsbruck schon seit Jahrhunderten. Die ausgelassenen und manchmal wohl auch wilden Bräuche sind durch behördliche Verbote erstmals dokumentiert. Doch das Nicht-Dürfen kümmerte die Thaurer nur bedingt. Trotz einiger Unterbrechungen gaben die „Muller“ – wie in den MARTHA-Dörfern (= Mühlau, Arzl, Rum, Thaur und Absam) überhaupt – ihre Bräuche und ihr Wissen von Generation zu Generation weiter. „So ist das bis jetzt und so geht es hoffentlich noch viele hundert Jahre weiter“, meint der Vereinsobmann der Thaurer Muller, Michael Zarfl.
Ein Zaggeler wird wegen der bunten Bommeln (=Zaggelen) auf seinem Gewand so genannt. Hier sind sie beim Mullerumzug in Rum zu sehen.
Der Brauch stellt symbolisch dar, wie der Winter dem Frühling unterliegt – nicht nur im noch immer bäuerlich geprägten Thaur ein jährlich herbeigesehntes Ereignis. Für dieses Ziel werden Monturen genäht und mit Fransen, Holzplättchen, Bommeln (= Zaggelen) ausgestattet, Masken geschnitzt, Hüte mit Bändern, Spiegeln und Fellen geschmückt, bis eine der vielen speziellen Figuren entstanden ist. Jede von ihnen führt andere Tanzschritte, Sprünge und Schuhplattler aus, und so gibt es beim „Einimullen“ bei Bällen oder Vereinsabenden zwischen dem Auftakt im Jänner und dem „Begräbnis“ am Unsinnigen Donnerstag, wenn der Fasching wieder zu Grabe getragen wird, viel Unterschiedliches zu sehen.
Platz machen für den Auftritt
Dabei wird die Reihenfolge streng eingehalten: Zunächst bringt sich der Spieler im Raum in Position und beginnt den Mullerwalzer – selbstverständlich im Dreivierteltakt. Dann schaffen Hexen und Klötzler Platz für den Auftritt. Eine Hexe braucht unbedingt einen Besen und eine gewisse charmante Unverfrorenheit. Ein Klötzler braucht das typische Gewand, das mit Plättchen aus hellem oder bunt gebeiztem Holz benäht ist, und ein sportliche Konstitution, damit diese Plättchen beim Tanzen in Bewegung geraten und klappern.
Wenn die holzbewehrten Klötzler tanzen, werden sie selbst zum Percussion-Instrument.
Der Sommer ist prachtvoll
Erst wenn die beiden den Weg frei gemacht haben, „trestern“ die Frühlings- und Sommerfiguren herein, wie das rhythmische Tanzen genannt wird. Zu ihnen gehören der Weiße mit seinen weißen, mit Bändern geschmückten Hosen, der Maske eines jungen Mannes, dem kleinen Hut mit Glasbarteln, den bestickten Hosenträgern sowie der Talerkette und der Melcher, der dem Weißen in vielem ähnelt, aber eine kurze Lederhose trägt. Während der Weiße hereintänzelt und immer wieder Sprünge über seinen dünnen, gebogenen „Ulrichstecken“ vollführt, muss der Melcher ein guter Schuhplattler sein.
Der Sprung über den „Ulrichstecken“ und das Gewand mit langer weißer Hose weisen den Tänzer als Weißen aus.
Nicht mehr ganz so springlebendig wie die beiden ist der Alte – eine Figur, die sonst beim Umzug auf dem Wagen der Altbäurischen zu finden ist. Die Symbolfigur eines alten Thaurer Wirts mit Kniehose, blauen Stutzen, goldgesticktem Adler und älterer Maske steigt, statt zu tanzen, lieber über seinen Gehstock.
Links die Hexe, rechts die Alten und mittendrin ein prachtvoll geschmückter Spiegeltuxer.
Die prächtigste und wahrscheinlich bekannteste Thaurer Mullerfigur ist der Spiegeltuxer, der mit seinem farbenfrohen Kopfaufbau alle anderen Figuren überstrahlt: Kleine Spiegel, Blümchen und Glaskugeln, weiße Hahnenfedern und dunkle Spielhahnstöße, am Hinterkopf bunte Bänder und am Gewand drei Talerketten kennzeichnen diese schmucke Sommerfigur. Und weil die Männer hinter der Spiegeltuxermaske nicht nur die ganze kiloschwere Pracht tragen, sondern auch mit ihr platteln müssen, werden ihnen besonders viel Kraft, Geschick und Ausdauer abverlangt. Die Spiegel sind übrigens nicht nur den Spiegeltuxern vorbehalten, ein viereckiger findet sich auch inmitten des Radels, des halbkreisförmigen Kopfputzes anderer Figuren, und das aus gutem Grund: Schließlich sollen sich die Winterdämonen darin erkennen und vor lauter Schreck auf- und davonlaufen.
Ein Spiegeltuxer braucht besonders viel Kraft und Ausdauer beim Tanzen.
Dunkle Gestalten im Winter
Herbst und Winter symbolisieren Zaggeler, Fleckler und Zottler. Die ersteren sind an den hell- oder dunkelblauen Gewändern gut zu erkennen, die mit bunten Zaggelen und Glöckchen benäht sind. Schwarze Gockelfedern und ein Hasenfell zieren den Kopfputz, Larve und Bewegungen sind weniger freundlich und lustig als die der Sommerfiguren. Dass es in der Thaurer Fasnacht schon früher Fleckler gegeben hat, ist alten Quellen zu entnehmen – und genau diese inspirierten in den 1970er-Jahren einen Thaurer, diese bunte Herbstfigur wiederaufleben zu lassen. Ihr Kopfschmuck ähnelt dem der Zaggeler, aber statt eines Hasenfells kommt hier ein Fuchspelz zum Einsatz – sozusagen ein Übergang zum Zottler, dem wilden, rauen Vertreter des Winters.
Die bunten Figuren im Vordergrund – Zottler mit Fransen, Zaggeler mit Bommeln und Fleckler mit Stoffflecken – stehen für Herbst und Winter.
Zottler schmücken sich neben dem Fuchs auch mit Pfauenfedern auf dem Kopf und mit handgezupften Fransen aus Kartoffelsäcken am Gewand, die in den typischen Mullerfarben Grün, Gelb, Rot und Blau gefärbt werden. Für diese Figuren gelten auch tänzerisch andere Regeln als für die anderen: Nicht mehr ein lustiger Mullerwalzer oder Plattler gibt hier den Takt vor, sondern eine rauere Musik, die zum Gebaren der Zottler passt.
Wenn der Zottler zur rauen Musik des Winters tanzt, fliegen die Fransen.
Hier kommt auch der Frosch ins Spiel, bei dem es sich nicht um eine Fasnachts-, sondern um eine Tanzfigur handelt: Der Zottler legt sich dabei mit angewinkelten Knien rücklings auf den Boden und springt aus dieser Position auch wieder auf. Liegt er am Boden, kann ein Melcher oder Weißer auf seinen Ranzen steigen: Der Frühling siegt über den Winter.
Vollführt die Winterfigur Zottler die Tanzfigur „Frosch“, dann unterwirft sie sich symbolisch dem Frühling.
Ein Tanz zum Auftanz
Die Reihenfolge, in der die verschiedenen Figuren ihre Künste zeigen, ist bei einem Auftritt festgelegt. Die Musik zu dem Auftanz im Kreis ist der „Reith im Winkel“. Anschließend werden die Zuseher abgemullt: Sie bekommen einen Schlag auf die Schulter, der Fruchtbarkeit bringen und alles Böse vertreiben soll, und hintennach einen Schnaps. Zum anschließenden Freitanz suchen sich die Muller dann eine Frau, mit der sie übers Parkett walzen, oft ist es eine, die ihnen bei der Herstellung oder Ausbesserung ihrer Monturen tatkräftig geholfen hat. Denn auch wenn Mullen Männersache ist und die Muller stolz sind auf alles, was sie an ihrem Gewand selber machen können, liegen die feineren Arbeiten nach wie vor in den Händen der Frauen.
Thaurer Mullerlaufen
Alle vier bis fünf Jahre zeigen sich die Fasnachtsfiguren beim Thaurer Mullerlaufen in all ihrer Vielfalt und Farbenpracht, das nächste Mal am 08. Februar 2026. Alle Ausrücktermine finden sich auf der Homepage der Thaurer Muller.