Das Beste aus der Gegend: Lizumer Hütte
Die Lizumer Hütte: Ausgangspunkt für zahlreiche Skitouren in den Tuxer Alpen.
Zwei junge Hüttenwirte setzen auf der Lizumer Hütte auf ein klares Konzept: Regionales und Traditionelles gut machen. Das fängt beim Fleisch und bei der Milch an, die einen Lieferweg von gerade mal 150 Metern zur Küche hat und geht bis zum Holz, mit dem die Hütte geheizt wird. Wir erleben: einen Geheimtipp, der auch gut für Skitouren-Einsteiger geeignet ist.
Als wir uns den Gipfelhängen des Geiers nähern, spurt die Truppe bereits den Gegenhang zum Pluderer hinauf. Eng hintereinander, beinahe im Gleichschritt setzen sie mit soldatischer Disziplin eine Spitzkehre nach der anderen in den frischen Schnee. Es sollte einen nicht verwundern: Die einzigen Skitouristen, die an diesem strahlenden Morgen außer uns in der Wattener Lizum unterwegs sind, kommen direkt aus der Kaserne, genauer: aus dem Hochlager Lizum, das zu einem großen Truppenübungsplatz gehört.
Wir rufen kurz rüber zur Truppe, ob es okay ist, wenn wir später ihren Spuren folgen. Schließlich wollen wir kein Risiko eingehen, nicht nur, was die Berggefahren betrifft – die angesteuerte Abfahrt ist durchaus ausgesetzt und recht steil –, sondern auch die an einigen Stellen etwas verwirrende Definition von für Zivilisten gestatteten Routen. Doch statt einer komplizierten Belehrung kommt nur ein zackiges: „Joah, passt.“
Tatsächlich liegt die Wattener Lizum in den Tuxer Alpen, und deren wichtigste Unterkunft für Nicht-Militärs, die Lizumer Hütte ist sehr gut erreichbar und im Winter dennoch nach wie vor eine Art Geheimtipp. Beliebt bei den Einheimischen, und sehr gut geeignet gerade für Skitoureneinsteiger. Von früh im Winter bis in den Frühling hinein, ist sie ein idealer Ausgangspunkt, um erste Erfahrungen im winterlichen Gebirge zu sammeln. Oder einfach das verschneite Ambiente auf sich wirken zu lassen, die Sonne und das ausgezeichnete Essen zu genießen.
Gleich erreicht unser Autor die Hütte. Dies ist meistens übrigens auch auf Schneeschuhen oder mit festen Bergschuhen möglich.
Ein Refugium, das sich der Nachhaltigkeit verschrieben hat.
Lukas Aichhorn, Tiroler, und Tobias Spechter, Bayer, haben sich der Herausforderung gestellt, den Betrieb einer Berghütte nach den Prinzipien Nachhaltigkeit, Regionaliät und Saisonalität auszurichten. Wir sind mit Lukas verabredet, drahtig, schlank, urwüchsiger Typ, der uns am Lager Walchen – das ebenfalls zum Truppenübungsplatz gehört –, am Ende der öffentlichen Straße aufsammelt. Mit Untersetzung im Getriebe und schweren Schneeketten geht es hinauf durch den Bergwald hin zur Hütte auf knapp über 2.000 Meter Höhe, die der Sektion Hall des Österreichischen Alpenvereins gehört. Man kann natürlich auch auf das Hüttentaxi verzichten und gemütlich auf Skiern oder Schneeschuhen, meistens sogar mit festen Wanderstiefeln hinauf zur Hütte laufen.
Während er Holz aus dem Schuppen holt, erzählt Lukas, wie es ihn hierher verschlagen hat. Eigentlich hat er ja Koch gelernt und lange in der gehobenen Gastronomie gearbeitet. Es folgten Erfahrungen im sozialen Bereich, die Freizeit verbrachte er viel „draußen am Berg“, er war, sagt er, eine Zeit lang richtig viel beim Klettern im Fels. Mit der Hütte, das habe sich dann einfach so ergeben. Und irgendwie kommt hier ja alles zusammen: Das Kochen. Die Arbeit mit den Menschen. Und die Liebe zum Berg.
Gemeinsam mit Tobias Spechter bewirtet Lukas Aichhorn die Lizumer Hütte.
In dieser Küche werden fast ausschließlich Zutaten aus der Region verarbeitet.
15 Gründe für einen Besuch bei Lukas und Tobi.
„Regionalität und regionale Produkte, das gibt es hier oben schon viel länger“, erklärt er. Schließlich sei es früher meist gar nicht anders gegangen als mit den Rohstoffen und Nahrungsmitteln zurechtzukommen, die in der Gegend jeweils zur Verfügung stehen. „Wir schauen, dass es nicht nur ein Schlagwort ist. Dass es Hand und Fuß hat. Dass wir wirklich die Möglichkeiten nutzen, die die Umgebung bietet. Und den Kontakt zu den Leuten aus dem Tal. Spannend, oder?“
Wir haben zwischenzeitlich längst die Mulde verlassen, aus der wir die skifahrenden Soldaten beobachten konnten und sind hinauf zum Geier gestiegen, dem mit immerhin 2.857 Metern Höhe wahrscheinlich begehrtesten Skigipfel der Gegend. Vom Metallgeier, der am höchsten Punkt der Berges montiert ist, blickten wir bis zum Olperer im Tuxer Kamm. Danach folgten wir den Soldatenspuren in die prächtigen Pluderer-Hänge. Ein herrlicher Abfahrtspaß, davon 500 Höhenmeter rassige Abfahrt.
Was Lukas mit dem Kontakt zu den Leuten aus dem Tal meint, erfahren wir am Nachmittag. Mit seinem winterfesten Allradmobil holen wir Nachschub von einem seiner Versorger, einem Bauernhof, der weiter unten am Wattenberg das Jungvieh im Stall stehen hat, wo es friedlich Gras frisst. Lukas holt heute große Stücke von einem Almochsen, der noch im Sommer auf der Weide in der Lizum stand und jetzt zerteilt im Kühlhaus hängt. Die verschiedenen Teile für das Gulasch werden inspiziert – und auch ein Stück für den Tafelspitz. Vor der Tür gibt es einen Schnaps für alle, der Blick hinunter ins Inntal ist erhaben.
Von diesem Hof im Wattental bezieht Lukas Fleisch für die Hüttenküche.
Käse beziehen die beiden Wirte von der Alm ein paar hundert Meter unterhalb der Hütte, auch beim Gemüse achten sie auf die Herkunft aus der Gegend. Was mit Saisonalität gemeint ist, kann man erleben, wenn man Lukas bei der Zubereitung der abendlichen Halbpension beobachtet. Heute gibt es Krautknödel mit Kartoffel-Endivien-Salat, herzhafte Gerichte mit Wintergemüse. Man kann herrlich plaudern mit Lukas über die Alpenküche, ihre Grenzen und Herausforderungen. Natürlich macht er die Hütten-Klassiker. „Ich versuche schon zu experimentieren“, erzählt er jedoch, während er das gedünstete, beinahe karamellisierte Kraut in die Knödelmasse mengt. „Und mancher Salat wächst alle Zeit! Krautsalat, Bohnen, Rettich, aus allem fast kann man Salat machen, es müssen ja nicht immer Blätter sein.“
Den Almochsen gibt es später noch als Tellerfleisch, ein Ganzjahresklassiker. Besonders stolz ist dieser innovative Hüttenküchenchef auf seine Halbpension, eine ganze Mahlzeit, immer abwechslungsreich, immer frisch, zu einem superfairen Preis. „Wir wollen den Gästen bieten, was die Region immer schon geboten hat“. Und das ist eine ganze Menge.
Früh am Morgen drehen wir eine gemeinsame Runde auf den Tourenskiern rund um die Hütte. „Im Winter bieten die Tuxer Alpen im Allgemeinen gute Bedingungen, auch für den Einsteiger. Wir starten früh in die Saison, noch im Dezember, wenn dann hoffentlich Schnee ist. Rund um die Hütte haben wir ein gute Umgebung für Lawinen- und Skitoureneinsteigerkurse.“ Die märchenhaft verschneite Almlandschaft allein ist aber schon die Wanderung vom Lager Walchen hinauf wert.
Unser Autor inspiziert die Umgebung. Wo wartet die beste Abfahrt?
Das Tourenangebot rund um die Hütte ist im Sommer wie im Winter vielfältig.
Nach der Abfahrt...
...ist vor der Hütte.
Graue Wand und Torspitze sind zwei weitere Skiberge, die man zu einer Tour kombinieren kann, mit nordwestlichen Abfahrten, in die am Nachmittag die Sonne dreht. Wir verabschieden uns mit weiten Schwüngen über die großzügigen Hänge, hinein in den lichten Bergwald, bis wir nach ein paar hundert Metern rasantem Baumslalom wieder auf der schneebedeckten Straße hinunter zum Lager Walchen landen. Als wir das Schrankenhäusl mit den wachhabenden Skisoldaten passieren, kommt es uns auf einmal vor, als wären sie vor allem dafür da, die Idylle der Wattener Lizum mit ihrer ganz besonderen Unterkunft so einsam und kaum berührt zu erhalten, wie wir sie erleben durften.
Wir grüßen freundlich zurück, sicher nicht zum letzten Mal.
Zimmer mit Aussicht auf Schnee
Geschichten über Leidenschaft, Abgeschiedenheit und die Kräfte der Natur im winterlichen Hochgebirge: In einer Porträt-Serie haben wir die außergewöhnlichsten Winterhütten in den Tiroler Bergen besucht.