Das Gold aus den Bergen
Fotos: Sebastian Gabriel
Wie verändert sich der Geschmack von Honig, wenn die Bienen nicht im Tal, sondern im Hochgebirge fliegen? Reinhard Hetzenauer, Obmann der Tiroler Imker, über das Bienenleben auf 1.500 Metern Höhe und den unvergleichlichen Geschmack von Almrosenhonig.
Niemand Geringerer als Albert Einstein soll gesagt haben: „Wenn die Bienen verschwinden, hat der Mensch noch vier Jahre zu leben.“ Stimmt das?
RH: Ob der Satz von Einstein stammt, weiß ich nicht. Aber wenn es die Bienen nicht mehr gäbe, würden viele Pflanzen nicht bestäubt, sie würden aussterben. In der Folge gäbe es bestimmte Vögel nicht mehr und so weiter – und am Ende hätte das auch Konsequenzen für uns Menschen. Eine Natur gäbe es immer noch – sie sähe halt ganz anders aus, und auf diesen Versuch würde ich es nicht ankommen lassen.
Das Bienensterben bewegt die Menschen: Wie geht es den Bienen?
Solange es Imker gibt, werden die Honigbienen nicht aussterben. Und weil die Zahl der Imker in Tirol seit 2009 um ein Drittel gestiegen ist, geht es zumindest der Honigbiene gut. Manche Biologen sagen bereits, dass es zu viele Honigbienen gibt. Und dass sie den Wildbienen den Honig wegnehmen.
Stimmt das denn?
Das kann punktuell schon zutreffen. Manche Wildbienen sind spezialisiert auf bestimmte Blüten, da kann es zu einer Konkurrenz kommen. Viele Imker kümmern sich auch um die Wildbienen, indem wir Hotels für sie bauen.
Du stellst deine Bienenstöcke auch im Gebirge auf.
In der Axamer Lizum habe ich einen Standort, einen weiteren auf der Kemater Alm auf etwa 1.600 Metern Höhe. Meine anderen fünf Standorte befinden sich alle im Inntal.
Fühlen sich die Bienen in den Alpen wohl?
Die Bienen haben’s schön hier und eine herrliche Aussicht, wie im Urlaub. Im Ernst: Im Gebirge haben die Bienen länger ein Trachtangebot – so nennen wir Imker das Angebot an Nektar, Pollen und Honigtau, den die Honigbienen in den heimischen Bienenstock eintragen – als unten im Inntal. Dort geht das radikal zurück, wenn die Wiesen gemäht werden. Umgekehrt ist das Risiko im Hochgebirge höher. Ein Schlechtwettereinbruch kann immer passieren. Dann ist das Trachtangebot zu gering, ich muss die Bienen mit Zuckerwasser durchfüttern, und Honig gibt’s logischerweise auch keinen.
Wie bist du zum Imkern gekommen?
Der Opa hatte zwei Bienenvölker, die hab ich übernommen, als ich was neben der stressigen Arbeit gesucht hab, als Ausgleich. Das ist jetzt 30 Jahre her. Es ist eine schöne Arbeit in der freien Natur für die Natur, man kriegt mit, was gerade blüht … Nur die Honigernte ist anstrengend. Besonders das Schleudern, wenn der Honig im Schleuderkorb aus den Waben gezogen wird. Das mag ich am wenigsten, weil man da höllisch aufpassen muss, dass nicht alles pickt und klebt.
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Wie viele Bienen hast du insgesamt?
Aktuell habe ich 45 Völker, die je aus einer Bienenkönigin, Drohnen und Arbeiterinnen bestehen. Ein Volk umfasst im Sommer um die 60.000 Bienen, im Winter reduziert sich das auf 10.000.
Unterscheiden sich die Almbienen von denen im Tal?
Oben wie unten verwende ich die Kärntner Biene, kurz „Carnica“. Die Almbienen scheinen jedoch durch ihren Aufenthalt auf der Alm abgehärteter zu sein als die „Talbienen“, sie fliegen noch bei acht Grad aus. Davon abgesehen ist die Carnica im Gegensatz zur ursprünglich hier beheimateten Bienenart, der Dunklen Europäischen Biene, sanftmütiger und bildet größere Völker aus, was mehr Honig bringt.
Wie viel Honig bekommst du von einem Volk?
Im Schnitt so um die 15 Kilo. Dafür werden wir Hochgebirgs imker von den Ostösterreichern oft belächelt, die machen bis zu 80 Kilo pro Volk. Insgesamt produziere ich um die 600 Kilo im Jahr, ich könnte auch eine Tonne loswerden. In Tirol ist die Landwirtschaft kleinteilig strukturiert, es gibt hier keine Monokulturen wie in Ostösterreich, das Trachtangebot ist also geringer. Außerdem hängt bei uns viel vom Wetter ab, die Honigausbeute kann von null bis 30 Kilo für ein Volk schwanken. Alle 3.000 Tiroler Imker kommen auf gerade mal 300 Tonnen im Jahr.
Wie schmeckt der Almhonig?
Weil es in Tirol keine Raps- oder Sonnenblumenfelder gibt, müssen die Bienen viele verschiedene Blüten anfliegen. Und im Inntal gibt es eine große Auswahl an Blüten: Blumenwiesen, Obstbäume, Wald. Deshalb ist unser Tiroler Honig vielfältiger und abwechslungsreicher als der aus Ostösterreich. Blüht eine Pflanzengattung besonders üppig, bestimmt sie den Geschmack des Honigs deutlich. Wenn es zum Beispiel viel Löwenzahn gibt, erhält man einen zitronengelben Honig. Fliegen die Bienen viel in den Wald, weil ich die Stöcke am Waldrand stehen hab, dann gibt das eher einen dunklen Waldhonig mit einem intensiveren Geschmack. Wenn auf der Alm zum Beispiel viele Almrosen blühen, dann hat der Honig unverkennbar den Geschmack von Almrosen.
Woher weißt du, wann du den Honig ernten kannst?
Wenn ein Drittel der Zellen verdeckelt ist, ist der Honig reif.
Honig muss „reifen“?
Die Biene sammelt ja Nektar, beim Transport in den Bienenstock gelangen Säuren, Enzyme und sonstige Eiweiße aus der Biene in den Nektar, wodurch die Umwandlung in Honig geschieht. Außerdem entzieht die Biene dem Nektar in mehreren Schritten Wasser. Reif ist der Honig dann, wenn er weniger als 20 Prozent Wasser enthält.
Wirst du bei der Honigernte noch oft gestochen?
Jedes Mal, wenn ich bei den Bienen bin, das ist ganz normal. Trotzdem bleibt’s schmerzhaft. Die Stichstelle schwillt an, es wird einem mollig warm. Durch das Bienengift wird der Körper angeregt, Cortisol zu produzieren, sodass ein Bienenstich eigentlich was Gesundes ist. Aber allzu viel ist ungesund, wie bei allem. Bei Föhn sind die Bienen übrigens auch gereizt und launisch. Am schlimmsten sind sie drauf, wenn Gewitterstimmung herrscht. Da werden sie richtig wepsig. In der Früh dagegen ist es fein zu arbeiten, die Bienen sind dann noch ganz verschlafen.
Woran erkennst du, wie es den Bienen geht?
Die Biene jammert nicht, sie sagt einem nicht, was sie gerade denkt oder fühlt. Die Kunst ist es, das Verhalten zu deuten. Ich schaue, wie sich die Bienen am Flugloch verhalten. Fliegen sie pollenbeladen in den Stock und anschließend wieder heraus, ist alles gut. Wenn sie aber davor wie besoffen herumtaumeln, ist Gefahr in Verzug.
Worauf könnte ein solches Verhalten hindeuten?
Das muss ich dann genauer untersuchen. Das größte Problem ist die aus Ostasien eingeschleppte Varroamilbe. Der Klimawandel begünstigt ihre Verbreitung enorm. Die Milbe ist ein Parasit, sie saugt an der Brut und vermehrt sich in den Brutzellen. Normalerweise hört die Bienenkönigin auf, Eier zu legen, wenn’s kalt wird. Durch die Klimaerwärmung aber gibt es keine brutfreie Zeit mehr. Und die Milbe kann sich das ganze Jahr über fortpflanzen.
Wie bekämpfst du sie?
Ein natürliches Mittel ist Ameisensäure. Weil sich deren Aroma auf den Geschmack des Honigs auswirken würde, behandle ich die Völker damit erst, sobald ich den letzten geerntet hab, also Anfang August. Den nächsten Honig gibt es dann erst wieder im Frühjahr.
Empfiehlst du die Imkerei als Hobby?
Man muss runterfahren können, Hektik mögen die Bienen gar nicht. Der Imker muss Rücksicht nehmen und sich bewusst sein, dass er es mit Damen zu tun hat. Man kann nicht einfach einen Bienenstock in den Garten stellen und sagen, im Herbst hole ich dann meinen Honig. Man braucht Fachwissen und Zeit. Meine Frau sagt immer: „Für die Bienen hast du immer und gleich Zeit. Wenn ich aber was brauch, dann muss ich warten, warten, warten.“