Rafael Jablonka: Große Kunst im kleinen Seefeld
Andy Warhol in der Feuerwehrhalle: Rafael Jablonkas Sammlungen locken viele Kunstinteressierte nach Seefeld. © TVB Region Seefeld
Berühmte Kunstwerke für alle und ein Ferienhaus als private Skulptur: Der renommierte Sammler Rafael Jablonka baut Ungewöhnliches und bringt Zeitgenössisches nach Tirol.
Ferienwohnungen gibt es auf dem Seefelder Plateau wie Sonnenschirme am Meer, doch das „Ferienhaus T.“ ist kein touristisches Bauwerk. Versteckt im Wald von Mösern taucht es unvermutet hinter einer Biegung auf: schwebend auf einer Bodenplatte montiert, rundum verglast und mit ungewöhnlichem, trapezförmigem Grundriss.
Es hat alles, was ein Haus braucht: Tisch, Bett, Kochgelegenheit, Bad, WC und sogar einen offenen Kamin. Und doch ist es kein Wohnort, nicht einmal ein Rückzugsort. „Es ist eine begehbare Skulptur“, sagt Bauherr Rafael Jablonka, „und in einer Skulptur kann man nicht leben.“
Das „Ferienhaus T.“ versteht Jablonka als begehbare Skulptur, die an die Terroranschläge in New York erinnert.
Der Galerist als Vorreiter
Jablonka und seine Frau haben seit einigen Jahren einen Wohnsitz in Tirol, wo sie zuvor ihre Skiurlaube verbrachten und wo er selbst nach der Ausreise aus seinem Geburtsland Polen 1973 einen Visumantrag für Deutschland stellte. Das allein wäre nicht ungewöhnlich, doch der Galerist gehört seit Jahrzehnten zu den Meinungsbildnern der zeitgenössischen Kunst.
In seiner Kölner Galerie, die der Kunstexperte bis 2018 führte, und der nahe gelegenen Böhm Chapel zeigte er neueste Werke aus den USA und Europa: Damien Hirst, Mike Kelley, Gilbert & George, Eric Fischl und viele andere. Mit etlichen arbeitete er bei der Realisierung von Ausstellungen zusammen.
„Sammeln ist eine kreative Tätigkeit“, sagt Rafael Jablonka. Auch in seiner Wahlheimat Tirol gestaltet er seine Umgebung mit den Mitteln der Kunst.
Vom Mock-up zum Gedenkhaus
Mit dem „Ferienhaus T.“ setzte Jablonka einen Entwurf des deutschen Künstlers Thomas Schütte um: eines von drei „Ferienhäusern für Terroristen“, konzipiert als Nachdenkraum zu 9/11. Vor dem Haus hat Jablonka Eric Fischls „Tumbling Woman“ platzieren lassen – auch sie bezieht sich auf die Anschläge am 11. September 2001.
Schüttes Vorlage ist ein kleineres Modell aus einfachen Materialien, die der Witterung nicht standhalten würden. Um daraus ein Haus im Wald zu machen, plante u. a. das Architekturbüro Holzbox einen Holzbau mit Kupferdach und zwei schräg gestellten Betonelementen für Statik, Technik und Kamin. Seit zehn Jahren steht es in Mösern, auf Anfrage führt der Hausherr durch den rund 100 m2 großen Raum.
Zwei Skulpturen zu 9/11: Im Hintergrund Thomas Schüttes „Ferienhaus T.“, davor Eric Fischls „Tumbling Woman“. Sie erinnert an die Menschen, die aus dem World Trade Center gestürzt sind.
Das "Ferienhaus T." von innen. Sieht aus wie ein schickes Wohnzimmer, ist aber ein Kunstwerk mit ernstem Hintergrund.
Kunst braucht Öffentlichkeit
„Wenn man Kunst ernst nimmt, übernimmt man auch Verantwortung für die Werke“, sagt der Sammler. Und: „Zuhause verkommt die Kunst zur Dekoration. Kunst braucht Öffentlichkeit, die Befreiung vom Privaten, von Bettwäsche, Töpfen und Gläsern.“ Vielleicht ließ sich Jablonka darum von einem Nachbarn und vom damaligen Bürgermeister von Seefeld leicht überzeugen, Teile seiner Sammlung in der leerstehenden alten Feuerwehrhalle auszustellen.
Seit 2021 bestückt er die als „KiS - Kunst in Seefeld“ adaptierte Halle mit zeitgenössischer Kunst und bekommt dabei Unterstützung von der Hotelierin Elisabeth Gürtler und anderen Wirtschaftstreibenden. Manches davon könnte er sich allein wegen des Formats daheim nicht aufhängen und sieht es daher selbst nach langer Zeit wieder. Anderes ist so neu, dass die Farbe kaum trocken ist. Drei große Namen – Philip Taaffe, Miquel Barceló und Andy Warhol – machten den Anfang.
Derzeit bevölkert die junge Künstlerin, Musikerin und Dichterin Sarah Bogner das KiS mit rosafarbenen Pferden und ähnlich fröhlichen Seltsamkeiten. „Liebe & Blamage“ steht als Titel darüber. Ob sie in Zukunft zur Klassikerin wird, darauf will sich Rafael Jablonka noch nicht festlegen. Womöglich ist aber das kleine Seefeld der Ort, an dem er dafür die Weichen stellt.
KiS - Kunst in Seefeld: Wo einst der Fuhrpark der Freiwilligen Feuerwehr stand, ist heute zeitgenössische Kunst von Weltrang zu sehen. © TVB Region Seefeld