Rebekka Ruetz im Interview: Die Modemacherin
Rebekka Ruetz entwirft in Innsbruck internationale Mode. Nachhaltigkeit und Slow Fashion sind ihr Thema. Up-to-date sind ihre Teile trotzdem.
Interview: Esther Pirchner
Fotos: Gerhard Berger
Ein Atelierbesuch bei Rebekka Ruetz im Sommer 2021. Vor kurzem ist sie in größere Räumlichkeiten gezogen – zum Entwerfen, Erstellen von Schnitten und zur weiteren Bearbeitung der Modelle. Ballen von Stoffen lagern hier, Bänder und andere Kurzwaren. Auf Ständern hängen die Kleidungsstücke aus den aktuellen Kollektionen: Knallbunte und dezente Fotoprints fallen auf, Neonfarben neben elegantem Schwarz, Silber, Moosgrün und Eisblau. Zeit für die erste Frage …
Welche Stoffe kommen zum Einsatz? Die Modedesignerin gibt die Auswahl vor.
Kleidungsstücke mit All-over-Prints sind eines deiner Markenzeichen. Zuletzt waren es unter anderem Pilze und Steinoberflächen. Beziehst du deine Motive oft aus der (Tiroler) Natur?
In der vergangenen Saison war es so. Ich habe aktuell eine Kooperation mit dem Zillertal und habe zum Beispiel ein Foto vom Stillupsee verwendet, außerdem einen Moosdruck, Löwenzahn und Pilzlamellen. Die Bilder haben wir am Anfang der Coronazeit ausgewählt, als es diesen Rückzug zu sich selbst und zur Natur gab. In anderen Jahren waren es andere Themen, in der Kollektion davor ging es um Nachhaltigkeit, da haben wir Umweltverschmutzungen auf Stoff gedruckt – Mikroplastik, Öl und Chemikalien im Wasser. Das Interessante ist dann, mit Kundinnen die Geschichte zu teilen, die hinter dem Kleidungsstück und dem Motiv steht.
Rebekka Ruetz setzt auf Materialmix und Nachhaltigkeit. Manche Stoffe aus früheren Kollektionen finden in neuen Kombinationen wieder Eingang in aktuelle Entwürfe.
Nachhaltigkeit und Slow Fashion sind zentrale Themen bei dir. Wie lassen sie sich in der Mode leben?
Mein Credo ist generell: Weniger kaufen, besser kaufen, länger tragen. Ich orientiere mich an einem Satz aus der Forschung: „Das nachhaltigste Kleidungsstück ist das, was man lange trägt, und es bedient sich an Ressourcen, die schon vorhanden sind.“ Für mich bedeutet das, dass ich zwei Kollektionen pro Jahr mache, und auch Stoffe verwende, die ich schon habe oder die meine Lieferanten in früheren Saisonen hergestellt haben. Sie lassen sich gut mit neuen Textilien kombinieren. Ich verwende oft recyceltes Polyester, Biobaumwolle und Leinen. Ich versuche die Wertigkeit meiner Kleidungsstücke lange zu erhalten. Es steckt viel Arbeit, Liebe und Leidenschaft darin, darum ist es mir wichtig, dass man meine Stücke länger tragen kann als nur eine Saison.
Von der Piste ins Modeatelier: Aus Planen von den Skigebieten im Zillertal fertigte Rebekka Ruetz Show Pieces für den Laufsteg.
War auch Upcycling ein Thema bei deiner Kooperation mit dem Zillertal?
Ja, wir haben ein paar tolle Show Pieces gemacht, und zwar aus den Orientierungsplänen von den Skipisten. Die müssen, wenn sich im Skigebiet etwas ändert, ausgetauscht werden. Im Zillertal machen sie zum Teil selbst Accessoires aus diesen Planen. Einen anderen Teil haben wir zu Kleidung für den Laufsteg verarbeitet.
Die Linie „You Know You Want It“ war schon vor dem Lockdown erfolgreich und lag dann voll im Leisure-Wear-Trend.
Mode lebt davon, dass man sie herzeigt. Das war während des Corona-Lockdowns höchstens bei Videokonferenzen oder beim Einkaufen möglich. Hat sich das auf deine Kollektionen ausgewirkt?
Eigentlich kaum. Der erste, schnelle Trend war Leisure Wear, also bequeme Mode für zu Hause. Dem hat unsere Linie You Know You Want It by rebekka ruétz ohnehin entsprochen. Wir hatten vor, den Online-Handel auszubauen, und konnten das in dieser Zeit richtig gut umsetzen. Im Januar 2021 gab es dann eine Berlin Fashion Week, auf der ich meine Sommer- und Winterkollektion gemeinsam präsentiert habe. Dass dann alles digital präsentiert werden musste, gab uns die Möglichkeit zu einer kreativen Erweiterung. Wir haben das erste Mal einen Fashionfilm gemacht, uns ein Drehbuch überlegt und eine kurze Geschichte rund um das „Lockdown Girl“ produziert – ein Mädchen, das zu Hause sitzt, den Schrank voll mit tollen Sachen hat, aber keine Gelegenheit, sie auszuführen. Also trägt sie meine Sommer- und Wintersachen zu den Tätigkeiten im Haus und zum Einkaufen. Für mich war es sehr erfrischend, in diese kreative Richtung zu gehen, und der Film ist super angekommen.
Du präsentierst im September deine zwanzigste Kollektion auf der Berlin Fashion Week. Wie hebst du dich von den vielen anderen Modelabels in so einem Umfeld ab?
Mit guten Agenturen, guten Partnern, mit denen ich schon lange zusammenarbeite. Ich habe mich relativ früh für den Direktvertrieb entschieden, statt auf Messen zu gehen, und wende mich direkt an die Kund:innen: zum Beispiel mit dem Geschäft im Kaufhaus Tyrol in Innsbruck und Online-Handel. Das war einer der besten Schritte, den ich gemacht habe. Der Fokus hat sich so ganz auf die Show verlegt. Und wenn man ein interessantes Thema hat, eine gute Geschichte, kann man den einen oder anderen schon abholen. Mit der Zeit war mein Name etabliert und die Leute wussten einfach: Da müssen wir hin.
Im Atelier warten Mäntel und ein Kleid auf die weitere Verarbeitung.
Hat der Direktvertrieb auch im vergangenen Jahr gut funktioniert?
Ja, ausgezeichnet. Bisher haben wir immer stärker ins Ausland verkauft. Durch Corona ist es auch in Österreich mehr geworden. Der Online-Vertrieb war natürlich schon vorher ein Thema, aber jetzt kommt man nicht mehr darum herum. Ich fühle mich damit auch sehr wohl.
Was inspiriert dich?
Da gibt es viele Dinge. Natürlich schaue ich, wohin die Trends gehen, aber oft ist es auch ein Film, ein Buch, ein Satz, den jemand sagt. Irgendetwas catcht mich. Meistens trage ich eine Idee zwei, drei Monate mit mir herum, und dann lege ich los.
Mit female Empowerment und witzigen Sprüchen gegen Bodyshaming: Rebekka Ruetz
Ein Thema, das du aufgegriffen hast, ist female Empowerment. Vermittelt hast du es mit witzigen Sprüchen auf T-Shirts und anderen Kleidungstücken. Warum ist es wichtig, Frauen zu stärken und gegen Bodyshaming aufzutreten?
Gerade in der Modebranche, die sehr oberflächlich sein kann, hadere ich selbst manchmal damit, wie mit den Mädels umgegangen wird. Es hat sich angeboten, den Fokus einer Kollektion einmal darauf zu lenken, und es hat mich sehr gefreut, wie groß der Zuspruch dafür war. Es ist auch deshalb gut gelungen, weil ich ernste Themen gerne mit einem gewissen Schmunzeln präsentiere. Die witzigen Sprüche haben da sehr geholfen.
Arbeitsmaterialien warten im Atelier fein säuberlich geordnet auf ihre Verwendung.
Und was könnte in der Mode noch besser laufen?
Vor der Pandemie waren wir in einem Rad, in dem Modehäuser bis zu zwölf Kollektionen pro Jahr herausbrachten. Aber man sollte auch den Mut haben zu sagen: Die Lederjacke oder die Jeans habe ich jetzt halt einmal drei Jahre an und nicht nur eine halbe Saison. Man sollte nicht das Gefühl haben, jedem Trend nachrennen zu müssen, sondern selbstsicher sein und einmal sagen: „Das ist ein geiles Teil, das trage ich jetzt!“, oder: „Das habe ich meiner Oma aus dem Schrank geklaut.“ Das ist noch besser!
Rebekka Ruetz
zur Person
Schon als Jugendliche hatte die Tirolerin Rebekka Ruetz einen Berufswunsch: Modedesignerin bei einem großen Modehaus. Der Weg zum Design führte unter anderem über ein Studium in München einschließlich Auslandspraktikum in Indien, Arbeit bei Peter Pilotto in London und der Entscheidung, doch ihr eigenes Label rebekka ruétz zu gründen. 2011 präsentierte sie das erste Mal eine Kollektion auf der Berlin Fashion Week. Sie lebt und arbeitet in Tirol, entwirft jedes Jahr zwei Kollektionen und setzt auf Direktvermarktung. Zu ihrem unverwechselbaren Look gehören All-over-Prints, Nachhaltigkeit, Female Empowerment und ein gewisser Humor, mit dem sie auch ernsthafte Themen aufgreift.