Text: Fred Steinacher, Header-Bild: Philipp Reiter
Geschafft! Kristin Berglund, Wahl-Tirolerin aus Schweden, hat sich im Zillertal ein Denkmal gesetzt und 2020 als erste Frau am Berliner Höhenweg die ,,Fastest Known Time“ (FKT) markiert. Was hat die Trailrunnerin nach Tirol verschlagen und wie kam es zu dem FKT-Projekt?, sport.tirol hat Kristin getroffen.
In 23 Stunden und 57 Minuten für die 90 Kilometer und 7000 Höhenmeter. Eine phantastische Marke. Hausherr und Berglauf-Legende Markus Kröll hatte 2012 diese Challenge ins Leben gerufen und mit 23 Stunden und 45 Minuten gleichsam die erste FKT-,,Bestzeit“ in die Steine der faszinierenden Bergwelt des Zillertals gemeißelt. Den aktuellen Rekord hält der Italiener Daniel Jung mit 18 Stunden und 11 Minuten. Und nun steht dank Kristin Berglund auch eine Frau im ewigen Geschichtsbuch dieses Trailruns.
Die Motivation für diese spektakuläre Leistung liest sich ganz simpel. ,,Ich lebe nun bereits fast die Hälfte meines Lebens (17 Jahre) in Tirol; das möchte ich mit der schönsten Runde im Land feiern und als erste Frau den Berliner Höhenweg – Nonstop in Angriff nehmen. Let the Dream come true.“ Ein Spruch, der sich in vielen Bereichen der persönlichen Geschichte der nunmehr 36jährigen Physio-Therapeutin wieder findet.
Natürlich hat die Story nichts mit dem Hit von Udo Jürgens zu tun, obwohl - 17 Jahr‘ blondes Haar….das würde schon passen! Und irgendwie ist es ja doch auch eine Liebesgeschichte, die Kristin Berglund zu erzählen hat: in mehreren Kapiteln allerdings. Mit 17 Jahren jedenfalls, 2001 beim Snowboarden in Val d’Isere, sieht die junge - blonde - Kristin, aufgewachsen am Bauernhof der Großeltern im schwedischen Sunne, erstmals die beeindruckenden Hausberge des bekannten Skiweltcup-Ortes, den Tete du Solaise und Rocher de Bellevarde. Das sehr naturverbundene Mädel ist begeistert; die Sehnsucht nach den Bergen ist geweckt, wird mit dem Umzug nach Tirol im Jahr 2003 zur Leidenschaft und gipfelt – Nomen est Omen – am 5. Juli 2020 nach dem Gipfelsturm des Berliner Höhenwegs in einer Dreifach-Feier der besonderen Art: 17 Jahre Tirol, die erste Frau auf diesem Trail mit der FKT (Fastest Known Time), dazu Papa Gunnars Geburtstag. Perfektes Glück im Dreierpack, strahlende, blaue Augen!
Ich lebe nun bereits fast die Hälfte meines Lebens in Tirol; das möchte ich mit der schönsten Runde im Land feiern und als erste Frau den Berliner Höhenweg – Nonstop in Angriff nehmen. Let the Dream come true. Kristin Berglund
Aber - zwischen Val d’Isere 2001, der Übersiedlung (2003) nach Tirol und den aufregenden, herausfordernden 23,57 Stunden (2020) im hochalpinen Zillertal, hatte die selbstbewusste Schwedin, die mit 19 Jahren, nach der Matura, ,,gekommen war um zu bleiben“, viele Hürden zu meistern, ehe der Traum Wirklichkeit geworden war.
Die Initialzündung lieferte ein Inserat im schwedischen AMS-Modell: Au Pair-Mädchen für Tirol gesucht. Und dann muss der Zufall Regie geführt haben - denn Kristin, die ohne sportlichen Hintergrund groß geworden war, landete im laufbegeisterten Breitenbach; Deutsch? Fehlanzeige, doch der Sport half über Dialekthürden; nach einem Jahr Breitenbach sowie Jobs auf Berghütten ,,verstand“ Kristin sogar tirolerisches Deutsch, verliebte sich ,,unsterblich“ in diese faszinierende Natur und bald war eines klar – hier möchte ich leben!
Die Frage war nur – wovon? Also zurück nach Schweden, zum Physiotherapie-Studium an der Universität Lulea, eine international anerkannte Ausbildung, und erst dann ab in die Wunsch-Heimat Tirol. Eine Umgebung, in der Kristin aufblühte, durch intensive Begegnungen mit der Natur, den Bergen (u. a. auch in der Schweiz, Bolivien, Norwegen) der geheimen Leidenschaft, dem Trail-Running, immer ,,näher“ kam. Teilnahme am Transalpin 2012, dem Eiger Ultra-Trail (200 km) im Jahr 2014, Siege beim Zugspitz-Ultra-Trail 2016 sowie beim UTAT in Marrokko (2018), sowie dem Großglockner Ultratrail (2016/2018) waren die ersten – erfolgreich gemeisterten - Herausforderungen, ehe sie 2019 Rang in Chamonix im UTMB, der ,,heimlichen WM“ über 170 Kilometer und 10.000 Höhenmeter als bisherigen Höhepunkt Rang zwei eroberte.
Genug der Abenteuer? Keineswegs. Vielleicht war es ja – als sie noch in Münster wohnte – der tägliche Blick aus dem Fenster Richtung Zillertal, aber wahrscheinlich eher der Ehrgeiz, als erste Frau am Berliner Höhenweg quasi eine Duftmarke zu setzen. Auf einer Strecke, die fast permanent auf 2000 m Höhe verläuft, mit dem Schönbichlerhorn auf 3100 Metern als höchstem Punkt, nur von Männer gemeistert. Gesagt, getan! Mit dem ,,Erfinder“ der Challenge, Markus Kröll sowie einigen Kollegen des Salomon Running Teams als Begleiter ging’s am 5. Juli 2020, um 22 Uhr, just der Tag, an dem ihr Papa Geburtstag feierte, beim Europahaus in Mayrhofen los. Bei Vollmond, ,,richtig romantisch und als dann wenige Stunden später die Sonne aufging, hatten wir schon die Olperer Hütte erreicht; schön, wie in einem Märchen. Dazu passten die Schneefelder, die es nach der Mörchnerscharte und bei der Lappenscharte zu queren galt.“ Als Kristin davon erzählte, glänzten die Augen.
Aber das Wetter in den Bergen ist unberechenbar und an einer der schwierigsten Passage dieses Runs, dem technisch anspruchsvollen und langen Siebenschneide-Weg, ,,erwischte uns die Schlechtwetterfront; nach fünf unendlich gefühlten Stunden bei Regen und Wind, in der Dunkelheit, über glitschige Steinplatten, oftmals auf allen Vieren krabbelnd, sahen wir die Edel-Hütte, letzter Fixpunkt vor dem Abstieg ins Tal.“
Das Wetter ist unberechenbar: Bachüberquerung und Nebel fordern Kristin noch zusätzlich.
Kraft tanken: Kurze Hütteneinkehr um die Speicher für den nächsten Streckenabschnitt aufzuladen.
Streckenplanung: Ein solches Projekt bedarf einer detaillierten Planung.
Ich war noch nie so glücklich einen Lauf zu finishen“ Kristin Berglund
Das Erreichen des Ziels in der wahrlich sensationellen Zeit war wie eine Erlösung. Diese Aufgabe gemeistert zu haben, wird ewig in Erinnerung bleiben, als eine besondere Herausforderung, in der einem immer wieder das Gefühl vermittelt wurde, sich ,,selbst zu begegnen“, mit Ängsten und Schmerzen als unsichtbaren Begleitern. A propos Herausforderung – nicht einmal ein Kreuzbandriss, zugezogen am 12. Jänner des Jahres, vermochte das ehrgeizige Vorhaben zu stoppen. Dank eiserner Disziplin, beinhartem Training (Sporttherapie Huber&Mair) und gleichsam allen Widrigkeiten zum Trotz stand Kristin pünktlich am Start. Um am Ende zu jubeln - ,,Ich war noch nie so glücklich einen Lauf zu finishen“, schmunzelte sie, wohl wissend, wem sie danken musste; dem Challenge-Erfinder Markus Kröll, der die gesamte Strecke an ihrer Seite war (,,Für mich ist 2012 ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen, ich weiß, was in Kristin jetzt vorgeht“), den Freunden und Teamkollegen (auf Teilstrecken).
Wie auch immer – am Ende des Tages war ein Traum Realität geworden, ist die Liebe zu Tirol wahrscheinlich noch intensiver und für alle Zeit steht da eine Marke für den Berliner Höhenweg, die es speziell für jene Damen zu knacken gilt, die sich - animiert von diesem ,,Höllenlauf“ einer in Tirol verliebten Schwedin – zukünftig auf die Spuren von Kristin Berglund begeben wollen.
Tatsächlich dauert es nicht lange und war ja auch zu erwarten, dass Kristin Berglund’s Pioniertat am Berliner Höhenweg zur ganz besonderen Challenge für die besten Trailrunnerinnen wird. Nicht einmal einen Monat nachdem sich Berglund als erste Frau mit einer Zeit unter 24 Stunden quasi ,,verewigt“ hatte, wurde die Rekordjagd eröffnet.
Natürlich von einer Zillertalerin – Stephanie Kröll startete genau am 31. Juli 2020 (3 Wochen nach Kristin) ihr Rennen, begleitet von Kollegen des Racingteams Mountainshop Hörhager. Und bei fast perfekten Bedingungen setzte die 30-jährige mit 20 Stunden und 18 Minuten für die 90 Kilometer/7000 Höhenmeter eine geradezu sensationelle neue FKT-Bestzeit (Fastest Known Time) für Frauen in die Spur; insgesamt war bisher überhaupt nur Daniel Jung (18 Stunden/11 Minuten) noch schneller wie das sportliche Ausnahmetalent aus dem Zillertal.
Der Berliner Höhenweg ist ein hochalpiner Weitwanderweg der sich von Mayrhofen im Zillertal über die Olperer Hütte und dem Schlegeisstausee zur Berliner Hütte ins hintere Talende erstreckt. Von dort führt er durch die vergletscherte Hochgebirgswelt und entlang vieler Naturschönheiten zurück nach Mayrhofen.
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