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Die Obst-Alchemisten

Aktualisiert am 09.07.2018 in Essen & Trinken

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Die Familie der Schnapsbrennerei Rochelt kann natürlich kein Gold entstehen lassen. Aber das, was sie aus Obst zaubert, steht dem Edelmetall an Besonderheit und Begehrlichkeit in nichts nach. Ein Lokalaugenschein.

Das ist sie also, die Pforte zum irdischen Glück. Langsam öffnet sich das schwere Eisentor zur Einfahrt des schmucken Landhauses in Fritzens, nur eine Viertelstunde von der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck entfernt. Kaum zu glauben, dass hinter diesen weiß getünchten Mauern und grün umrandeten Sprossenfenstern jene Schnäpse gebrannt werden, die zu den besten der Welt zählen. Denn das Haus ist zwar sehr gepflegt, aber weder besonders groß noch lässt es darauf schließen, dass es in seinem Inneren gärt, blubbert und brennt.

Die Tiroler Schnapsbrennerei Rochelt in der Innstraße in Fritzens.Die Tiroler Schnapsbrennerei Rochelt in der Innstraße in Fritzens.

Ich bin mit Alexander Rainer, geschäftsführender Gesellschafter der Tiroler Schnapsbrennerei Rochelt, zum Interview verabredet. Er öffnet die ebenfalls grün gestrichene Tür und schon weht mir ein verführerischer Duft um die Nase. Süß, mit leicht herber Note. Schwarzkirschen sind es, wie ich gleich erfahren werde …


                   Der Meister des guten Geschmacks in der Brennerei.
                Der Meister des guten Geschmacks in der Brennerei.

Unverwechselbar. Nicht nur der Geschmack, sondern auch die Verpackung: die für Rochelt typische grüne Zangenflasche. Foto: Tiroler Schnapsbrennerei RocheltUnverwechselbar. Nicht nur der Geschmack, sondern auch die Verpackung: die für Rochelt typische grüne Zangenflasche. Foto: Tiroler Schnapsbrennerei Rochelt

Vom Unternehmensberater zum Schnapsbrenner

Alexander Rainer ist ein moderner Mann. Nach einem Wirtschaftsstudium in Innsbruck, Paris und London wählt er in der britischen Metropole zunächst die Profession des Unternehmensberaters. Doch wie das Leben so spielt, lernt er Annia, die Tochter des Tiroler Schnapspapstes Günter Rochelt, kennen und lieben. Die beiden beschließen, nach Tirol zurückzukehren und 2003 in den elterlichen Betrieb einzusteigen. Nach dem viel zu frühen Tod des Firmengründers 2009 übernimmt der Schwiegersohn die Geschäftsführung des Familienunternehmens mit Weltruf – zur Seite stehen ihm dabei seine Frau und deren Schwestern Julia und Teresa.

Und bei aller Modernität lerne ich im Gespräch auch eine völlig andere, gegenteilige Seite an ihm kennen. Eine, wie es sie im heutigen Geschäftsleben nicht mehr oft zu sehen gibt und wie man sie von einem ehemaligen Unternehmensberater nicht unbedingt erwarten würde. Ein wenig aus der Zeit gefallen. Nostalgiker würden es vielleicht sogar ein bisschen „retro“ nennen.

Denn Alexander Rainer könnte preiswerte Massenware kaufen, anstatt wochenlang jede einzelne Frucht von Hand zu ernten und zu überprüfen. Er könnte billigen, aber durchaus akzeptablen Industriealkohol kaufen und diesen mit Aromen versetzen. Er könnte in einer Fabrik produzieren statt den Schnaps im Elternhaus seiner Frau zu brennen. Er könnte die Margen durch Effizienzsteigerung um ein Zigfaches erhöhen. Und überhaupt könnte er viele Tausend Liter von seinen edlen Bränden mehr verkaufen, wenn er wollte.

Aber er tut es nicht. Denn das entspricht weder ihm, noch der Philosophie von Rochelt. Die Tiroler Edelbrenner haben sich höchster Qualität verschieben. Ohne Kompromisse. Ohne Wenn und Aber.

Wider jeden kommerziellen Verstand

Neun von zehn Obstbauern schütteln entweder resignierend oder konsterniert den Kopf, wenn sie mit dem Chef der Brennerei reden. „Das was ihr wollt, ist wider jeden kommerziellen Verstand, das entspricht nicht mehr dem Zeitgeist. So was gab’s vielleicht vor 100 Jahren, aber heutzutage, da geht das nicht mehr“, lautet der Tenor. Und dennoch: einer von zehn Bauern denkt anders. Versteht, was Rainer meint und lässt sich darauf ein, mit dem Schnapsbrenner aus Tirol zusammen zu arbeiten. Auch wenn der Abnehmer extrem kritisch ist und die Anforderungen über die Maßen hoch: nur die besten Früchte kommen ins Töpfchen. Jedes einzelne Stück Obst soll mit an Obsession grenzendem Perfektionsstreben von Hand geerntet und auf Unversehrtheit und optimalen Reifegrad überprüft werden. Rainer überwacht die Ernte meist persönlich. „Beim Wein versteht jeder, dass ich für einen guten Tropfen beste Reben brauche. Beim Schnaps ist das Verständnis dafür noch nicht so verbreitet“, sagt er. Und so kommt es auch, dass das Obst, welches wir gemeinhin im Supermarkt zum Verzehr zu kaufen bekommen, meist bei Weitem nicht jene Qualität hat, wie sie Rainer für seinen Schnaps verlangt.

Entweder Spitzenklasse oder gar nicht

Die Schwankungsbreite der Ernte ist enorm– in einem Jahr beträgt beispielsweise die Ausbeute der Wachauer Marille 100.000 Kilo, im nächsten kann es durchaus nur ein Zehntel dieser Menge sein. Und wenn die Witterungs- und Reifebedingungen nicht optimal sind, dann kann es von einer Obstsorte in einem Jahr auch mal gar keine Ernte geben. Denn bei Rochelt gilt das Motto: besser einmal zu oft nein sagen, als einmal ein Ja zu viel. Heißt: bevor ein schlechter Schnaps in die grüne Flasche kommt, kommt gar keiner hinein. „Ich kann meinen Händlern und Gastronomen weder eine Mengen- noch eine Sortengarantie geben, ich kann ihnen nur sagen, dass sie einen Schnaps von uns bekommen, der garantiert erstklassig ist“, so Rainer.

Investition in Früchte statt ins Marketing

Ein partnerschaftliches, verlässliches Verhältnis mit den Obstbauern hat deshalb für Rainer höchste Priorität, es gilt die heutzutage viel zu selten gewordene Handschlagqualität. Und natürlich wissen die Edelbrenner, dass sie von ihren Obstbauern viel verlangen, deshalb sind sie auch bereit, viel zu geben: den bis zu fünffachen Marktpreis bezahlen sie mitunter für das Obst. Und wenn Rainer sagt, dass er das Geld lieber seinen Obstbauern gibt als es ins Marketing zu stecken, dann klingt das bei ihm völlig plausibel und gar nicht seltsam. Im Gegenteil, ich finde, es bringt die Philosophie von Rochelt genau auf den Punkt.

Konzentration aufs Wesentliche. Oder: Natur pur.

Denn die Voraussetzung für ein gutes Endprodukt sind erstklassige Rohstoffe. Und beim Rochelt-Schnaps sind dies nun mal die Früchte und – sonst – nichts! Keine Aromen, keine Gärhilfen, kein Zucker und niemals Fremdalkohol. Allerbestes, ausgereiftes, vollmundiges Obst. Und basta. Von der jahrelangen Erfahrung und dem Knowhow rund ums Brennen mal abgesehen … Jedenfalls kommen die selektierten und gereinigten Früchte unmittelbar nach der Ernte direkt vor Ort in Maischetanks, fangen dort schon an zu gären und werden dann nach Hause nach Fritzens gebracht. Dort warten sie schlussendlich im Kühlraum darauf, den Aggregatzustand durch das traditionell zweimalige Brennen im Kessel zu wechseln und ihre Aromen in konzentrierter Form preiszugeben. (Brennen heißt es übrigens, weil die Kupferkessel früher mit Feuer beheizt wurden.) Das sogenannte Herzstück tropft dann aus den dünnen Röhrchen in den kugelrunden Glasballon – tausende Kilo Obst aufs Wesentliche reduziert.

Beschwipste Engel über Fritzens?

Wer denkt, damit wäre die Sache erledigt, der irrt. Der Schnaps hat direkt nach dem Brennen einen Alkoholgehalt von 70 – 80 Prozent, zum Trinken somit nicht nur viel zu scharf, sondern tatsächlich ungenießbar! Eine Möglichkeit wäre, das Destillat mit viel Wasser zu verdünnen. Dies hätte allerdings einen herben Verlust der Aromen zur Folge. Deshalb geht man bei Rochelt auch wieder einen Weg, für den sich heutzutage kaum mehr jemand die Zeit nehmen will oder auch kann: der Schnaps bekommt – ähnlich einem guten Wein – rund zehn Jahre, um in den offenen, nur mit einem Leinentuch bedeckten Glasballons am Dachboden zu ruhen und zu reifen.

Ich frage Alexander Rainer, ob so nicht auch jede Menge Schnaps durch den zur natürlichen Belüftung offenen Dachstuhl verdunste? Ja, 2000 Liter im Jahr seien es – die Whiskeybrenner nennen den Preis dieses Schwunds „Angel’s Share“ – den Anteil der Engel. Die himmlischen Wesen über Fritzens werden ihre helle Freude haben … Und: dieser jahrelange Reifeprozess nimmt dem Brand die Schärfe, die Aromen verbinden sich in optimaler Harmonie mit dem Alkohol und der Schnaps wird rund und mild. Stark bleibt er trotzdem – Rochelt-Schnäpse haben allesamt mindestens 50 % Alkoholgehalt.

Deshalb empfiehlt der Hausherr auch, seine Brände zu nippen anstatt sie zu kippen. Und auch die Menge, die in den eigens designten Rochelt-Gläsern Platz hat, ist mit maximal 2 cl wesentlich geringer als in den handelsüblichen Schnapsgläsern. Wie auch hier gilt das Rochelt’sche Motto: Qualität vor Quantität. Genuss durch Reduktion. Genuss durch Konzentration. Dass diese Qualität auch ihren Preis hat, versteht sich von selbst – die Schnäpse kosten je nach Sorte und Flaschengröße zwischen 80 und 200 Euro.

Der streng gehütete Rochelt’sche Schatz: der Dachboden, auf dem 80.000 Liter Schnaps lagern.Der streng gehütete Rochelt’sche Schatz: der Dachboden, auf dem 80.000 Liter Schnaps lagern.

Zum Schluss noch die Geschichte von Anfang an

Mit leichter Ironie in der Stimme erwähnt Rainer im Laufe des Gesprächs, dass es heute oftmals die „Story“ sei, die mehr zähle als das dahinterliegende Produkt. Wohlwissend natürlich, dass sich bei Rochelt beides zu einem perfekten Ganzen verbindet …

Firmengründer und Qualitätsfanatiker: Günter Rochelt.Firmengründer und Qualitätsfanatiker: Günter Rochelt.

… Die Geschichte, wie sein Schwiegervater Günter anfangs nur für gute Freunde brannte… als gelernter Koch verstehend, dass nur die besten Rohstoffe zu einem exquisiten Gericht gelangen … gleichzeitig die Tatsache verabscheuend, dass beim Schnaps aus einem ehemals bäuerlichen Spitzenprodukt mit jahrhundertelanger Tradition durch Kommerzialisierung und Industrialisierung oftmals nur mehr billiger „Fusel“ geworden war. Und wie er daraufhin in der Garage seines Cousins begann, nur die süßesten Früchte zu brennen und in Hochprozentiges zu verwandeln … wie er dieses Destillat in eine historische Tiroler Zangenflasche füllte, sie mit einem handgefertigten Stöpsel aus der Werkstatt eines Goldschmiedes verschloss und seinem guten Freund Eckart Witzigmann eine Kostprobe davon schenkte … wie dieser sie in seinem damaligen Restaurant an besondere Gäste ausschenkte und selbige nach mehr von diesem edlen Tropfen verlangten … Und wie sich Günter Rochelt schließlich dazu überreden ließ, nicht nur ausgewählte Freunde in den Genuss seiner Schnäpse kommen zu lassen, sondern eine Brennerei zu eröffnen, die noch heute ihre Heimat in Tirol hat, deren Produkte aber längst in den besten Häusern dieser Welt zu Hause sind.…

Kulturgut, Genussmittel, Medizin: In Maßen getrunken kann ein „Schnapserl“ wahre Wunder wirken.Kulturgut, Genussmittel, Medizin: In Maßen getrunken kann ein „Schnapserl“ wahre Wunder wirken.

Info: Lust, den Schnaps dort zu verkosten und zu kaufen, wo er entsteht? Alexander Rainer führt euch gern persönlich durch die Brennerei und das Schnapslager am Dachboden –„kleine“ Führung ab zwei Personen à 45 Euro, inklusive Schnapsverkostung und Jause mit Tiroler Spezialitäten. Dauer ca. zwei Stunden. „Große“ Führung inklusive Mittagessen, ab sechs Personen à 65 Euro. Beide Führungen nur während der Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 8.00 bis 17.00 Uhr und Freitags von 8.00 bis 14.00 Uhr.

Kontakt: www.rochelt.com

Fotos: Tiroler Schnapsbrennerei Rochelt

Fabienne ist Tirol Werberin aus Leidenschaft. War früher ständig in der Welt unterwegs und hat sich gewundert, warum so viele Leute Urlaub in Tirol machen. Jetzt wundert sie nichts mehr, denn mit vielen bereisten Ländern im Gepäck bestätigt sie: es gibt wohl keinen schöneren Platz auf Erden als Tirol.

Fabienne
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