Ein flotter Dreier ohne Dirndln
Sabrina, Katrin und Maria Steindl sind die Unterwirtinnen in Ebbs. Die drei Schwestern erzählen, was Dienstleisterinnen von Dienerinnen unterscheidet. Und sie wissen um die Wechselwirkung zwischen Gastfreundlichkeit und Spitzenqualität in Küche und Service.
Tradition verpflichtet. Ja, natürlich. Geschenkt. Aber die entscheidende Frage ist doch: Wozu verpflichtet eine große Tradition? Sabrina, Katrin und Maria Steindl sind Schwestern, führen gemeinsam den Ebbser „Unterwirt“ und haben eine recht genaue Vorstellung davon, wozu die Tradition ihres Hauses sie verpflichtet. Der Gasthof ist seit der frühen Neuzeit urkundlich belegt. 1490 war Christoph Kolumbus zu seiner die Welt für immer verändernden Atlantik-Überquerung noch nicht einmal aufgebrochen. Die Unterwirtinnen sind aufgebrochen, um die althergebrachten Erwartungen an Tiroler Gastgeberinnentum in eine neue Zeit zu übersetzen.
Nie nur ein Betrieb, immer auch ein Zuhause
Da ist eine fast mit Händen greifbare, knisternde Energie im Raum, wenn die drei Frauen sich Zeit nehmen, über ihre Lebens- und Arbeitshaltung zu reden. Sabrina Steindl bringt auf den Punkt, was die Schwestern vor einigen Jahren dazu bewogen hat, aus verschiedenen Himmelsrichtungen und Berufen zurückzukehren und den Betrieb gemeinsam zu übernehmen: „Bei uns geht es ganz stark um die Familie. Das Haus war nie nur ,der elterliche Betrieb’, sondern immer unser Daheim. Wir sind damit aufgewachsen und haben eine sehr enge Bindung zueinander. Ausschlaggebend für unsere Entscheidung war deshalb dieser Gedanke, dass wir gemeinschaftlich ganz andere Wege gehen können, es als Team und Familie gemeinsam machen und gemeinsame Ziele verfolgen wollen.“
Die Unterwirtinnen nennen ihr Haus „Das kleine Gourmethotel“. Und was es wiegt, das hat’s. Gerade auch in der mit zwei Gault-Millau-Hauben gekrönten Küche des Hauses. Traditionelles aus der österreichischen und Tiroler Küche findet hier seinen natürlichen Platz neben aufregend Zeitgenössischem; eine müde Wanderergruppe im Bergsteigergewand ist im „Unterwirt“ gleich willkommen wie eine kernige Stammtischrunde aus dem eigenen Dorf Ebbs oder eine hoch noble Hochzeitsgesellschaft aus dem benachbarten Bayern.
Außerordentlich gelassen leben, speisen und urlauben
Das magische Dreieck aus aufmerksamer Gastfreundlichkeit, hochqualitativer Professionalität in der Küche und im Service und einer sommers wie winters prachtvollen Natur am Fuße des Zahmen Kaisers bietet einen Rahmen, in dem es sich auf eine außerordentlich gelassene Weise leben, speisen und urlauben lässt. In einer der Stuben fast andächtig den ersten Bissen eines knusprigen, duftenden, goldbraunen Wiener Schnitzels genießen. Sich im magisch üppigen Garten die modernen Kreationen von Küchenchef Christian Ranacher und den ersten Schluck eines nicht minder spektakulären Weines auf der Zunge zergehen lassen… Man kann nicht anders, als sich zu entspannen.
Da muss man noch gar nichts wissen von der Konzentration auf Regionales und biologisch Angebautes, von Slow Food und der Qualität von Grundprodukten, von den Feinheiten perfekten Küchenhandwerks oder der unbezahlbaren Übersicht des Herrn Franz über das Servicepersonal. Der „Unterwirt“ wirkt. Um zu verstehen, wie genau, genügt es eigentlich, schmunzelt Katrin, zu beobachten, wie oft sich anfangs steif reservierte Herren in rüstungsartig getragenen Sakkos und Krawatten binnen kürzester Zeit mit aufgekrempelten Ärmeln und offenen Krägen im Garten fläzen.
Maria findet deutliche Worte für die wohldurchdachte Philosophie hinter dem, was der Gast spürt: „Es ist echt an der Zeit, mit diesen tradierten Vorstellungen vom Tiroler Familienbetrieb aufzuräumen, in dem alle in Reih und Glied im Tiroler Dirndlgwand dahermantschgln und von früh bis spät das gleiche Lächeln aufgesetzt haben. Vergiss es! Das ist einfach vorbei. Ich jedenfalls will das als Wirtin nicht machen, in so ein Haus will ich selber als Gast nicht fahren und ehrlich gesagt brauche ich auch solche Gäste nicht. Lasst uns einfach alle ein bisschen lockerer sein!“
Das ist das Hauptziel des flotten Steindl-Dreiers: den Gästen als Persönlichkeiten auf Augenhöhe entgegenzutreten, dabei jedoch nicht den eigenen Qualitätsanspruch und die professionelle Haltung zu verlieren. Natürlich herzlich zu sein, sich aber nicht an allzu festgefahrene Erwartungen anzubiedern. Auf die individuellen Wünsche und Anliegen der Gäste einzugehen, aber auch einmal sagen zu können, was nicht geht oder was es nicht gibt im „Unterwirt“.
Das erfordert Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und auch Mut. Katrin erklärt es so: „Wir sehen uns als Partnerinnen, als Dienstleisterinnen, niemals als Dienerinnen der Gäste.“ Sabrina präzisiert: „Genauso wie in einem anderen Kontext auch. Wir legen Wert darauf, unser Privatleben nicht mit unserem beruflichen Leben zu vermischen. Aber klar ist: Die Gäste kommen in unser Haus. Wir sind die Gastgeberinnen — und keine Dienerinnen.“
Die Sache mit dem Wiener Schnitzel
Das mag, räumen die Schwestern unumwunden ein, oft nicht ganz so einfach sein, wie es klingt. Zu einer idealen Form der Begegnung zwischen Gastgeberinnen und Gästen zu finden, ist ein fortlaufender Prozess; Irrtümer und Pannen sind nicht auszuschließen. Dennoch sind sich Sabrina, Katrin und Maria einig, dass sie es dank der jahrzehntelangen Vorarbeit ihrer Eltern Edmund und Anni Steindl einfacher haben und hatten als Kolleginnen und Kollegen in der Branche, die irgendwo bei Null beginnen. Sabrina ist überzeugt: „Die Richtung, die unsere Eltern mit dem ,Unterwirt’ schon vor langer Zeit eingeschlagen haben, passt absolut. Sie haben diesen Qualitätsanspruch etabliert, hinter dem und für den wir stehen. Wir müssen die Philosophie nur für uns und die Zukunft anpassen und Vollgas geben.“
Zum Abschluss gibt’s ein Wiener Schnitzel (siehe: knusprig, goldbraun, duftend!) und die signifikante Anekdote, mit der die jüngere Geschichte des „Unterwirts“ begonnen hat: Papa Edmund schuftete in der Küche seines beliebten Ausflugsgasthauses jahraus jahrein im Akkord und habe eines Tages entnervt erkannt: „Wenn ich jetzt noch ein einziges Mal 200 Schnitzel am Tag herauspanieren muss, hau ich den Hut drauf.“ Tat er nicht, sondern unternahm gemeinsam mit seiner Ehefrau Anni Gourmetreisen durch ganz Europa, um dann 1991 seinem „Unterwirt“ die erste Haube zu erkochen.
Katrin schließt den Kreis: „Das Wiener Schnitzel ist nach wie vor ein Signature Dish unseres Hauses und das ist auch gut so.“ Maria: „Das liegt daran, dass es halt auch das beste Schnitzel ist.“