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Zu Besuch bei der Musikerfamilie Arman: „Genres sind nur gedankliche Barrieren“

Aktualisiert am 19.07.2021 in Kulturleben

Familie Arman, Foto: Gersin Livia Paya

Der eine produziert für Conchita Wurst, die andere wird als Österreichs Pop-Hoffnung der Zukunft gefeiert und wieder ein anderer hat vor Papst Johannes Paul II. Beethovens Neunte dirigiert: Die britisch-tirolerische Familie Arman könnte vielfältiger nicht sein. Ein Porträt.

Text: Melissa Erhardt
Fotos: Gersin Livia Paya

Essen verbindet die Familie Arman.
Essen verbindet die Familie Arman.

Es ist ein heißer Juni-Samstag, an dem die Familie Arman in Wien zusammenkommt, um Florence Armans 26. Geburtstag zu feiern. Als ich vorbeikomme, hatten sie gerade einen ausgiebigen Brunch inklusive Breakfast-Burritos, am Tisch liegen ausgepackte Geschenke, darunter ein Buch über die Herstellung von Sauerteigen. Dass Essen bei der Familie Arman keine Nebenrolle spielt, wird schnell klar: „Obwohl wir so viel Zeit getrennt voneinander verbringen, genießen wir die gemeinsame Zeit sehr. Ich habe mich immer gefragt, woher diese Nähe kommt, denn von der Musik kommt sie nicht... Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich habe immer dafür gesorgt, dass wir alle zusammen zu Mittag essen“, erinnert sich Mutter Stella an frühere Tage in der Familienvilla in Innsbruck.

Verstreut in alle Windrichtungen

Sängerin Stella Arman mit ihrer Tochter, Popmusikerin Florence
Sängerin Stella Arman mit ihrer Tochter, Popmusikerin Florence

Tatsächlich ist es selten geworden, dass die gesamte Familie auf einem Fleck aufeinandertrifft. Stella ist die einzige, die noch fix in Tirol lebt – genauer gesagt in Vomperbach, wo sie sich mit ihrem kürzlich gegründeten Sonoritas-Ensemble als Chorleiterin auf ihre ersten Konzerte vorbereitet. Ihr Exmann Howard verbringt den Großteil seiner Zeit in Bayern, wo er neben der Leitung des bayrischen Rundfunk-Chors die Position des Gastdirigenten am Münchner Gärtnerplatztheater innehat. Die drei „Kinder“, Florence (26), Sebastian (37) und John (35) hat es musikbedingt schon vor längerer Zeit nach Wien verschlagen. Dass die Zeit da schon mal knapp wird, ist nicht verwunderlich: „Es ist unmöglich in der Familie etwas zu organisieren“, erzählt John und lacht.

Gespräche unter Fachleuten: Jazzgitarrist John Arman und Komponist und Dirigent Howard Arman
Gespräche unter Fachleuten: Jazzgitarrist John Arman und Komponist und Dirigent Howard Arman

Unmöglich scheint es für Außenstehende auch, die musikalischen Welten der fünf zu kombinieren: Während Stella und Howard von den Brandenburgerischen Konzerten oder der H-Moll-Messe von Bach erzählen, sprechen Florence und Sebastian von Songwriting-Trips nach Los Angeles. Sebastian ist erst vor wenigen Monaten mit einem Song für den US-amerikanischen Musiker Ray Dalton, den er gemeinsamen mit seinem Projektpartner Joacim Persson produziert hat, Gold gegangen, Florence hat soeben ihre Debüt-EP „Out of the Blue“ veröffentlicht und wird für ihren ganz eigenen Indie-Pop-Entwurf bereits als „the next big thing“ in der österreichischen Musiklandschaft gehandhabt. John Arman wiederum hat erst vergangenes Jahr sein zweites Jazz-Album „Fingerstylin“ released.

Musik war immer ein Crossover

Erfolgreich als Produzent und Songwriter: Eine Goldene Schallplatte gab’s für Sebastian Armans Song für Ray Dalton.
Erfolgreich als Produzent und Songwriter: Eine Goldene Schallplatte gab’s für Sebastian Armans Song für Ray Dalton.

Für die Armans ergibt sich gerade durch diese Vielfalt an musikalischen Zugängen ein großes Spielfeld: „Am Ende des Tages ist es Musik, so platt das auch klingt. Genres sind nur gedankliche Barrieren, um das ganze besser kategorisieren zu können. Aber es ist ja keine Wand. Ich lerne von meinen Geschwistern und von der Popmusik Dinge über Struktur, Melodie und Songverständlichkeit - und sie bedienen sich an Sachen, die im Pop seltener vorkommen und schieben zum Beispiel einmal einen Akkord ein, der untypisch ist“, sagt John. Auch für Papa Howard ergeben sich durch die Zusammenarbeit mit seinen Kindern neue Perspektiven: „Die eigentliche Einstellung von Musik war immer ein Crossover. Musik ist nichts anderes als eine Zusammenstellung verschiedener Impulse, die dann zu neuen Sachen führt. Deswegen ist diese Verbindung zu meinen Kindern so wichtig: Da bleibe ich beim Neuen“.

Florence startet mit der EP „Out of the Blue“ durch.
Florence startet mit der EP „Out of the Blue“ durch.

In der Familie Arman wird daher „gecrossovert“ so viel es nur geht: Nicht nur die Geschwister arbeiten zusammen – zuletzt etwa auf Florences EP, die Sebastian mitproduziert hat und bei der John für einige Songs zur Gitarre gegriffen hat – auch generationenübergreifend gibt es keine Barrieren. So kommt es, dass Howard für Florence und Sebastian Streicher arrangiert oder sich für ein paar Aufnahmen ans Klavier setzt. Mit John hat er bereits für zeitgenössische Opern zusammengearbeitet: „Für mich gehört das zu den größten Freuden im Leben, dass ich ein paar Sachen mit den Kindern gemacht habe. Die Tage, die ich mit Florence im Aufnahmestudio war, die gehören zu meinen allerschönsten“. 

Ein Familienchor und Jazz vom Opa

Für ihre Kinder hätte sich Stella Arman „normale“ Berufe gewünscht.
Für ihre Kinder hätte sich Stella Arman „normale“ Berufe gewünscht.

Dass Musik bei den Armans in der Familie liegt, wäre untertrieben. Bereits Mutter Stella ist in den Siebzigern mit ihren 13 Geschwistern und ihren Eltern als Familienchor, dem Bevan Family Choir, durch Europa getourt – 1980 wurde das Leben der Bevan-Family sogar im Dokumentarfilm Harmony at Parsonage Farm verfilmt. Johns Interesse für Jazz kommt wiederum von seinem Opa väterlicherseits, der Jazz-Saxophonist, -Klarinettist und -Pianist war. Die Vorliebe für Musik fing bei den drei Geschwistern früh an: Ob bei Klatschreimen an der britischen Küste, dem Erlernen von Instrumenten oder dem Singen bei den von Howard geleiteten Innsbrucker Capellknaben.

Alle machen Musik und die Eltern sind stolz auf ihre Kinder.
Alle machen Musik und die Eltern sind stolz auf ihre Kinder.

Zu Berufsmusikern wollten Stella und Howard ihre Kinder allerdings nicht machen, ganz im Gegenteil: „Ich glaub unsere Eltern haben bei uns allen die Hoffnung gehabt, dass wir irgendwas anderes machen außer Musik, irgendwas Gescheites. Aber so Kind für Kind haben sie die Hoffnung dann aufgegeben“, erzählt Sebastian und die drei lachen. Die letzte, auf der diese Hoffnung gelastet hat, war Florence. „Ich war so aufgeregt als Florence angefangen hat, zu studieren. Wir haben uns vorgestellt, wie sie einen echten Job haben würde, you know, Rechtsanwältin oder sowas. Aber die Musikkarriere hat überhandgenommen. Sie ist irgendwann zu mir gekommen und hat gesagt: Mom, ich hab keine Zeit mehr für die Uni. Ich will Musik machen, jetzt wo ich noch jung bin und ich noch kann. Und ich hab gesagt: Ok“. Für Florence war die Entscheidung mit viel Druck verbunden, aber sie nimmt es mit Humor: „Ich warte einfach, bis meine Karriere wieder bergab geht, dann geh ich wieder zurück auf die Uni“.

Erinnerungen an Innsbruck

Von Innsbruck nach London: Florence schmiedet Pläne.
Von Innsbruck nach London: Florence schmiedet Pläne.

So schnell wird das aber wohl nicht passieren: Momentan zieht es Florence eher nach London. Eine britische Staatsbürgerschaft hätten die drei – und natürlich genügend Familie, bei der sie unterkommen könnten: „Circa 60 Cousinen und Cousins, fast alle Musiker“. Und Tirol? „Ich würde sofort hinziehen - wenn ich nicht so viel Musik machen müsste in Wien“, erzählt John. Auch die anderen beiden kommen immer wieder gerne nach Tirol, um Freunde zu treffen, auszugehen oder einfach nur in Erinnerungen zu schwelgen. „Es ist schon witzig. Wenn man durch Innsbruck geht fühlt sich das ein bisschen an wie Walking Down Memory Lane: Man sieht sich selbst so vor 15 Jahren.“

Immer in Bewegung: die Mitglieder der Familie Arman
Immer in Bewegung: die Mitglieder der Familie Arman

Das einzige, woran sie sich in Tirol nach so langer Zeit wieder gewöhnen müssten, wäre die schonungslose Ehrlichkeit, von der alle drei erzählen. Florence: „Ich hab meinen besten Freunden letztes Jahr meine EP gezeigt, da war sie schon fertig. Und ich war halt voll aufgeregt weil ich lange nicht mehr in Tirol war und ich super lange an der Musik gearbeitet hab. Ich zeig’s ihnen also und sie so: ‚Ma Alter echt oder? Machsch du jetz so a Musik oder? Voll net geil he.“ Die drei Geschwister lachen.

Nach einem langen Nachmittag zieht sich Stella bequeme Sachen an und fährt los, um ihren Zug zurück nach Tirol zu erwischen. Als ich noch mit Howard spreche, klopft Florence an der Tür und meint, sie würden nun in die Stadt fahren. „Salted Caramel Ice, Dad!“ Mehr braucht sie nicht zu sagen, und die Familie ist dahin. Essen verbindet sie eben.

5 x Arman, 5 x Musik

  • Stella Arman hat am Trinity College für Musik studiert und sich 2006 als Vocal Coach mit ihrer eigenen Stimm- und Gesangsschule Voice Factory London selbstständig gemacht. Heute ist sie Chorleiterin des Ensemble Sonoritas, Tirols erstem professionellen Konzertchor.
  • Howard Armanist ist Komponist, Chor- und Orchesterleiter. Er war unter anderem Gründer und Leiter des Salzburger Bachchores, Leiter der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik sowie des MDR Rundfunkchores Leipzig, Generalmusikdirektor des Opernhauses Altenburg-Gera und Musikdirektor des Luzerner Theaters in der Schweiz. Seit 2015 ist er künstlerischer Leiter des Bayrischen Rundfunkchors und hat nebenbei die Position des Gastdirigenten am Gärtnerplatztheater in München inne.  
  • Sebastian Arman ist Teil des Produzenten- und Songwriter-Duos Decco und hat unter anderem für Milky Chance, Conchita Wurst oder Milow produziert und geschrieben. Früher war er als ein Drittel von IBK Tribe in der Tiroler Hip Hop-Szene aktiv und ist bis heute Teil des DJ- und Producer-Kollektivs Wax Wreckaz.
  • John Arman ist Jazz-Gitarrist und hat mit seiner eigenen Band, dem John Arman Organ Trio, erst letztes Jahr ist bei Alessa Records sein zweites Album „Fingerstylin“ veröffentlicht.  Ab Herbst unterrichtet er Jazzgitarre am Konservatorium in Innsbruck. 
  • Florence Armanhat schon länger als Songwriterin gearbeitet und unter dem Pseudonym klei diverse Features veröffentlicht. Im Juni hat sie ihre Debüt-EP „Out of the Blue“ veröffentlicht.
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