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Andrea Noesel

No risk, no run

Aktualisiert am 01.03.2023 in Sport, Fotos: Tim Marcour

No risk, no run

In dieser Episode verraten wir euch, welche Risiken der Freeridesport mit sich zieht und wie Profi Athlet Tao Kreibich es schafft, die Waage zwischen „sich immer weiter pushen“ und „nicht zu viel riskieren“ zu halten.

Opfer oder Retter – in welcher Situation man stecken könnte, weiß leider keiner im Voraus. Wird man von einer Lawine erfasst, sinken die Überlebenschancen mit jeder Sekunde. Ist es dem Verschütteten möglich, eine Atemhöhle zu schaffen​, ​bleiben dem Retter zwischen 15 und 35 Minuten bis der Sauerstoff versiegt. In so einer Notfallsituation ist schnelles und richtiges Handeln essenziell. Dabei sind Lawinen nicht die einzigen Gefahren die dort draußen lauern. Beim Freeriden bewegt man sich in ungesichertem, nicht präpariertem Gelände. Dabei kann man abstürzen, in sogenannte Treewells fallen, das sind Hohlräume um eingeschneite Bäume, man kann sich verfahren, von unvorhergesehenen Wetterumschwüngen überrascht werden oder es kann zu Fels- und Eisstürzen kommen. „Das wichtigste ist, dass man, egal in welcher Situation man steckt, einen kühlen Kopf bewahrt,“ sagt Profi-Freerider Tao. Doch wie schafft man das und lässt sich Risiko eigentlich kalkulieren?

In diesem Steilhang einen kühlen Kopf bewahren - das ist Taos täglich Brot.
In diesem Steilhang einen kühlen Kopf bewahren - das ist Taos täglich Brot.

Risikominimierung Phase 1: Planung – der frühe Vogel fängt den Wurm

Wenn die Natur in geheimnisvollem Licht erscheint, die weiße Pulverschneedecke glitzert, die kribbelnde Luft die Sinne berauscht und die Vorfreude, gleich durch das butterweiche feine Gold gleiten zu dürfen, die Waden zucken lässt, gehört es wohl zur Königsdisziplin, nicht übermütig zu werden und Situationen richtig einzuschätzen. In Momenten wie diesen ist es essenziell, sein Urteilungsvermögen von der Euphorie nicht trüben zu lassen. Das geht schon bei der Planung los: „Ich versuche im vornhinein schon, das Risiko so weit wie möglich zu minimieren“, erklärt Tao. Sobald die erste Flocke fällt und dem Rest der Menschheit einfällt, dass sie noch dringend einen Termin zum Reifenwechseln benötigen, fällt bei Tao der Startschuss für etwas ganz anderes. Ab jetzt gilt es zu beobachten: Wetterbericht lesen, Temperaturschwankungen checken, Schneefall und Wind dokumentieren.

Warum das wichtig ist? Der unverspurte Hang deiner Träume ist eben viel mehr als nur eine Momentaufnahme – geschaffen über Nacht. Instabile Schneeschichten, die sich den ganzen Winter über halten, bilden sich langsam. Solche Risiken gilt es im Auge und im Hinterkopf zu behalten. Lawinenberichte geben bereits erste Einschätzungen der Situation. Doch trotz aller Planung passiert es manchmal, dass die Bedingungen vor Ort doch anders sind als angenommen. „Das ist echt bitter, wenn man wochenlang einen Berg beobachtet, sich Lines ausdenkt, meint, endlich den perfekten Tag erwischt zu haben, um dann vor Ort zu checken, es ist doch nicht optimal – viel mehr: richtig gefährlich. Sich das in diesen Momenten einzugestehen und umzudrehen ist nicht immer leicht, aber das einzig richtige", erzählt Tao und fügt grinsend hinzu: „Gott sei Dank haben wir in Tirol immer genug Ausweichmöglichkeiten.“

Markus Kogler, Sicherheitsbeauftragte der FWT, ist Taos erste Anlaufstelle, wenn er sich bei einer Abfahrt nicht ganz sicher ist.Markus Kogler, Sicherheitsbeauftragte der FWT, ist Taos erste Anlaufstelle, wenn er sich bei einer Abfahrt nicht ganz sicher ist.

Risikominimierung Phase 2: Equipmentcheck – sag mal hast du einen Pieps?

Gemeint ist hier nicht die Redensart, sondern das Equipment, das bei jeder Tour dabei sein muss! Denn ein Lawinenverschüttetensuchgerät, eine Schaufel, eine Sonde, der Helm sowie ein Airbag Rucksack gehören beim Freeriden zur Standard-Ausrüstung und dürfen niemals fehlen. „Wichtig ist, dass man das Zeug nicht nur dabei hat, sondern auch weiß, wie man im Notfall damit umgehen muss. Die Handlungsabläufe muss man einfach so lange üben, bis sie ins Mark und Bein übergegangen sind“, sagt Tao. „Deshalb gehe ich auch nie allein ins Gelände, sondern immer nur mit Menschen, denen ich zu hundert Prozent Vertrauen kann. Im Zweifelsfall hängt schließlich mein Leben von ihrem Handeln ab.“ Der springende Punkt ist schließlich, dass man sich selbst nicht retten kann. Wer also mit Ungeübten ins Gelände geht, setzt auch sein eigenes Leben aufs Spiel. So ist es nicht nur für Einsteiger, sondern auch für Profi-Athleten wie Tao essenziell, Lawinenszenarien immer wieder durchzuspielen, um für den Worst Case gewappnet zu sein.

Für solche Sprünge braucht es eine gute Planung, Selbstbewusstsein und mentale Stärke.
Für solche Sprünge braucht es eine gute Planung, Selbstbewusstsein und mentale Stärke.

Risikominimierung Phase 3: Selbsteinschätzung – weil Fliegen schön ist, nur nicht Hinfliegen

Aber nicht nur beim freien Fahren, auch während der Competitions ist es wichtig, genau zu wissen, was man kann und was man sich zutraut. Mental stark zu sein ist das eine, sich dennoch auch mal über Grenzen hinaus zu pushen, ohne dabei das Risiko vollends auszuloten, das andere. Einer, der Tao schon seit seinen ersten Freeride World Tour Qualifier begleitet, ist Markus Kogler. Kogs – wie er von Freunden genannt wird – ist erfahrener Berg- und Skiführer, Open Faces Veranstalter sowie Lawinenkomisionär. Bei der FWT trägt er die größte Verantwortung. Als zertifizierter Sicherheitsbeauftragter versucht er im Vorfeld, alle Risiken aus dem Weg zu räumen, die Athleten über Gefahrenstellen zu informieren und im Ernstfall mit einem gut durchdachten Rettungskonzept für erste Hilfe zu sorgen.

„Markus bereitet uns Rider beim Contest bestmöglich vor. Für mich ist er eine große Inspiration und die erste Anlaufstelle bei Zweifel“, sagt Tao. Beim Riders-Meeting geht er zusammen mit den Athleten den Contest-Hang durch. „Das bedeutet, wir verbringen oft einen ganzen Tag und länger mit dem Fernglas. Von unten inspizieren wir das Gelände, versuchen, es uns einzuprägen, besprechen Risiken wie Lawinenanrisse, große Felsen, No Skiing Zones und planen unsere Lines und Sprünge. Wenn ich dann oben stehe, bin ich komplett fokussiert und gehe meinen Run noch mal in Gedanken durch. Kommen dann Zweifel auf oder sieht das Cliff von Nahem plötzlich doch viel größer aus als vom Tal gedacht, gilt es, schnell zu agieren und Plan B aus dem Ärmel zu schütteln - Situationen, auf die uns Markus vorbereitet.“

„Die Fahrer stehen oft unter dem großen Druck, gut zu performen, um einen hohen Score bei den Judges, also den Punkterichtern, zu bekommen. Dafür gehen viele ein Risiko ein“, so Kogs. Tao ist anders. Das bestätigte schon der Sportpsychologe im Red Bull Athlete Performance Center. „Der Mentalcoach analysierte mich als wenig risikobereit“, erzählt Tao und kann dabei ein Schmunzeln kaum unterdrücken. Ein Freerider, der wenig risikobereit ist? Schließt sich das nicht eigentlich von selbst aus? Möchte man meinen, aber auch FWT-Tour Kollege Valle Rainer nennt Tao’s Selbstbeherrschung und Kontrolle als seine Kernstärke. „Er kann richtig gut einschätzen, was er kann und was er nicht kann und probiert darauf basierend auch nur Lines und Tricks, die er sich selbst zutraut. Mit Sicherheit ein großer Faktor, weshalb er bisher immer sanfte Landungen ohne große Verletzungen für sich verbuchen konnte“, so Valle. „Wichtig ist, dass man sich, bevor man ins freie Gelände geht, bestmöglich vorbereitet. Damit kann man schon sehr viel Risiko eindämmen“, erklärt Kogs. 

Risikominimierung Phase 4: Erfahrungen sammeln – Stichwort Bruchlandung

Dass trotz sorgfältiger Vorbereitung etwas schief gehen kann, musste Tao gemeinsam mit seinem Freeride Buddy Valle Rainer aus nächster Nähe erfahren. „Wir waren letztes Jahr in Neuseeland – in the middle of nowhere. Jeder der schon mal da war, weiß, dass dort schnell gar nichts mehr ist“, erzählt Tao. Nichts, außer traumhaft verschneite Hänge und herausfordernde Lines, weit weg vom Trubel des Alltags. Freeriden in seiner pursten Form. Nach einem Tag im Backcountry, zieht es die beiden Richtung Tal. „Beim Abfahren ist Valle an einer richtig blöden Stelle hängengeblieben und ein Cliff hinuntergestürzt. Als sein Körper endlich stoppte und ich ihn erreichte, lag er bewusstlos auf einem Felsen. In dieser Sekunde klang der Gedanke "weit weg vom Trubel des Alltags" gar nicht mehr so fein. Der Heli brauchte 1,5 Stunden, bis er endlich eintraf. Valle war die ersten 45 Minuten komplett weggetreten und ich hatte keine Ahnung, ob das alles gut ausgehen würde. Jeder der vor einem Cliff steht und mir sagt, er hat Angst, der weiß nicht von was er spricht. Das ist keine Angst. Das waren die qualvollsten und längsten 45 Minuten meines Lebens." Als Valle plötzlich aufwacht, um sich über seinen dröhnenden Kopf zu beklagen, wusste Tao es wird alles gut. „Das war ein heavy Crash irgendwo im Nirgendwo und ich habe ihm mein Leben zu verdanken“, reflektiert Valle Rainer. „Das hat uns zusammengeschweißt.“

Ride on – stay safe!

Ein gewisses Restrisiko bleibt beim Freeriden also immer. Wir haben gelernt: Risiko ist nicht vollständig kalkulierbar, immerhin aber minimierbar, indem man gut vorbereitet ist und eigene Leistungsgrenzen respektiert. „Das Wichtigste ist, nicht nachlässig zu werden und sich selbst, sein Können und sein Equipment immer wieder zu hinterfragen und aufs Neue zu prüfen. Respekt am Berg ist gut und zu wissen, dass Umkehren nicht Aufgeben bedeutet, sondern den klugen Entschluss, sich der Gefahr bestmöglich zu entziehen. Bis es halt ein andermal, weniger gefährlich ist“, grinst Tao.

Checkbox Tourenplanung

von Markus Kogler, Freeride-Experte

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1. Buddysystem – Never ride alone

Gehe nur mit erfahrenen Leuten ins Gelände, nie allein und gib immer einen Freund oder deiner Familie Bescheid, wo und mit wem du dich aufhältst.

  • Fahre immer einzeln in den Hang oder mit Abständen
  • Wähle gute und sichere Sammelplätze
  • Überschätze dich selbst nicht
  • Passe die Tour immer auf den schwächsten in der Gruppe an

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2. Prüfe deine Freeride Ausrüstung

Check deine Notfall Ausrüstung einen Tag vorher, so hast du noch Zeit z.B. neue Batterien zu besorgen, den Akku zu laden oder dir etwas auszuleihen.

  • Lawinenverschüttetensuchgerät (Batterien überprüfen) Lawinensonde
  • Lawinenschaufel
  • Handy (mit ausreichend Akku)
  • Erste Hilfe Bag
  • Lawinen Airbag Rucksack funktionsfähig

3. Prüfe das Wetter

  • Prüfe diverse Wetterstationen - aus den Grafiken lässt sich ableiten, aus welcher Richtung der Wind kam und wie stark er war und somit mit wieviel Verfrachtung (Triebschnee) du rechnen musst oder auch wieviel Niederschlag es gab.
  • Mit diesen Werten kannst du im groben die Zusammensetzung der Schneedecke einschätzen.
  • Prüfe den Wetterbericht für den geplanten Tag: Niederschlag, Wind, Sicht, etc.

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4. Prüfe das Gelände

  • Checke über diverse Karten-Apps die Geländeformen oder etwaige Geländefallen in der geplanten Tour.
  • Meide bei ungünstigen Verhältnissen die im Lawinenlagebericht erwähnten Expositionen und teilhänge.
  • Begibst du dich in unbekanntes Terrain, solltest du dich immer bei einem Profi vor Ort über aktuelle Bedingungen erkundigen.

5. Check den Lawinenlagebericht

  • Der Lawinenlagebericht ist jeden Tag aktuell ab 17 Uhr für den nächsten Tag online.
  • Kurz vor jeder Tour nochmal etwaige Aktualisierungen (ab 7.30) checken.

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6. Beachte Gefahrenzeichen vor Ort

Hast du das alles gemacht (Tourenplanung), solltest du zu guter Letzt vor Ort im Gebiet auf Gefahrenzeichen achten, welche sein können:

  • Windzeichen
  • Frische Lawinenabgänge
  • Wummgeräusche und Rissbildung

Wenn du eines davon wahrnimmst, passe deine Planung entsprechend an! Bei Unklarheiten oder Unsicherheit brich lieber ab.

7. Selbstcheck

Checke, ob das Bild, dass du dir in der Planung gemacht hast, auch mit der Realität zusammen passt. Beachte dabei folgende Punkte:

  • Gelände
  • Verhältnisse
  • Gruppe

…ist am liebsten auf dem Bike unterwegs. Die gebürtige Tegernseerin liebt die Berge und ihre Heimat Sommer wie Winter. Als Athletin für Scott Sports teilt sie ihr Wissen und ihre Leidenschaft für Enduro mit anderen Frauen. @andrea.noesel

Andrea Noesel
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