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Nordische Kombination: Langlaufen mit Physik

12.01.2023 in Sport

Langlaufen mit Physik - Header

Nachdem unsere Experten Manuel Fliri und David Pommer die physikalischen Gesetze beim Skispringen erklärt haben, widmen sie sich nun der zweiten Disziplin der Nordischen Kombination: dem Langlaufen bzw. dem Skating-Stil.

Nach dem Skispringen gibt es für die Nordischen Kombinierer:innen eine kurze, aber wirklich verdiente Verschnaufpause. Die ist übrigens ein Novum - früher wurde direkt nach dem Springen, ohne Materialwechsel und ohne Pause, losgelaufen. Heute wird vor dem Langlauf abgerechnet: Je weiter und schöner man gesprungen ist, desto früher darf man auf die Loipe. Grob gerechnet gibt ein Meter Sprungweite auf der Großschanze immerhin 4,8 Sekunden Vorsprung für das Laufen.

Vom Feinen ins Grobe

Nach den komplexen und feinmotorisch höchst anspruchsvollen Bewegungsabläufen des Skispringens wartet jetzt eine ganz andere Herausforderung auf Körper und Geist. Es heißt: Durchhalten bis zum Umfallen. Wer die Physik hinter dem Langlaufen versteht, kann sich mit diesem Wissen zumindest einen kleinen Vorteil im Wettbewerb verschaffen.

„Es ist kaum vorstellbar, aber ich habe den Kampf immer geliebt. Es gibt Rennen, da kannst du ans absolute Limit gehen und es macht trotzdem Spaß“, offenbart uns David voller Euphorie. Ein bisschen verrückt muss man als Nordischer Kombinierer schon sein, oder?

Kantendruck und Reibung

Beim Langlaufen unterscheidet man grundsätzlich zwei Stile. Für die Nordische Kombination interessiert uns aber nur der Skating-Stil.  Die Skating-Ski haben anders als die Klassik-Ski keine Steigzone in der Ski-Mitte, sondern eine durchgehende Gleitzone. Sie sind steifer, kürzer und haben schärfere Kanten, um den für den Abdruck notwendigen Kantendruck besser aufbauen zu können. „Kanten, aber keine Stahlkanten natürlich“, stellt David klar.

Wie beim Anlauf auf der Schanze geht es auch in der Loipe um die Minimierung der Reibkraft durch die richtige Ski- und Wachswahl. Den Servicefrauen und -männern der Langlauf-Ski fällt dabei eine fast noch wichtigere Aufgabe zu als beim Springen. Zehn bis fünfzehn Paar Ski pro Athlet:in werden für den Renntag vorbereitet. Eines muss passen. Wenn man sich beim Material vergreift, fehlt nämlich nicht nur Geschwindigkeit, sondern bald auch die Geduld und Motivation. „Das wird ein langer Tag, denkst du dir, wenn du merkst, dass der Ski nicht läuft“, schildert David mit einem Schmunzeln. „Mit einem Ski, der nur Durchschnitt ist, hast du einfach keine Chance auf einen Spitzenplatz.“

Langlaufen mit Physik - Skating

Newton und die Loipe

Isaac Newton stand zwar wahrscheinlich nie auf Langlaufski, kannte sich aber in Sachen klassischer Mechanik umso besser aus. Beim Langlaufen geht es darum, eine Vorwärtsbewegung zu generieren. Laut Newtonscher Gesetze muss dafür eine Kraft auf den Boden übertragen werden. Als ob wir etwas nach hinten, oder besser gesagt zur Seite wegschieben wollten, erfolgt diese Kraftübertragung durch einen kräftigen Abdruck mit Beinen und Armen. Der Schnee lässt sich aber natürlich nicht oder nur minimal wegdrücken, wodurch eine entgegengesetzt gerichtete Kraft vom Boden erzeugt wird, die die Sportler:innen nach vorne schiebt.

Beim Abdruck spielt auch der Rumpf eine wichtige Rolle. „Man verlagert das ganze Körpergewicht auf die Stöcke, alle Muskeln sind dabei angespannt. Ohne Rumpfspannung verbiegt sich der Körper und die ganze Energie verpufft“, weiß David. Ähnlich wie beim Eislaufen verlagert man dann sein Gewicht durch den Abdruck von der Ski-Innenkante von einem Bein aufs andere, von Seite zu Seite.

Langlaufen mit Physik - Stockeinsatz

Soweit die Grundlage. Jetzt wird’s wieder ein bisschen komplizierter.

Der Ski wird nämlich bekanntlich nicht horizontal am Boden aufgesetzt, sondern ist beim Abdruck in einem bestimmten Winkel zur Bewegungsrichtung geneigt. Besagte Abdruck-Kraft ist senkrecht zum Ski gerichtet und lässt sich in eine Antriebskraft (nach vorne) und eine Kraft zur Mitte zerlegen. Für unser Ziel, das Erreichen maximaler Schubkraft nach vorne, ist die Antriebskraft relevant. Die Kraft zur Mitte benötigen wir zum Verlagern des Schwerpunkts von links nach rechts.

Langlaufen mit Physik - Abdruck

Neigungswinkel und Antriebskraft

Der Ski-Neigungswinkel variiert je nach Lauf-Geschwindigkeit und Charakteristik der Loipe. Je steiler die Strecke, desto größer ist der Ski-Neigungswinkel und desto größer ist auch der Anteil der Antriebskraft. Je flacher das Terrain bzw. je schneller man sich fortbewegt, desto kleiner wird der Winkel und damit auch der Anteil der Antriebskraft. Für die Zahlenfreaks unter uns heißt das: Bei 45 Grad Neigungswinkel beträgt dieser Anteil ca. 71%, bei 30 Grad genau 50% und bei 15 Grad ca. 26%.

Ist man einmal auf Geschwindigkeit, geht es hauptsächlich darum, diese aufrecht zu erhalten. Selbst für Profis wird es ab 30 km/h immer schwieriger, schneller zu werden. Das liegt einerseits am oft unterschätzten Luftwiderstand und daran, dass die Bewegungsgeschwindigkeit deutlich größer wird als die Abstoßgeschwindigkeit. Auf gut Deutsch: Man kommt der Bewegung nicht mehr hinterher.

Langlaufen mit Physik - Gleiten

Psychologie und Biologie

Hinterherkommen muss man aber nicht nur der Bewegung, sondern vor allem demjenigen, der vorneweg läuft. Wäre man doch nur etwas weiter gesprungen, müsste man sich jetzt nicht ganz so quälen. Die letzten Kräfte werden mobilisiert, um nach schier endlosen Kilometern in der Loipe als erster die Ziellinie zu überqueren. Auch wenn David seine Karriere schon beendet hat, merkt man, dass seine Leidenschaft ungebrochen ist: „Du siehst die Ziellinie, die Muskeln machen zu und irgendwo kitzelst du noch etwas heraus, von dem du gar nicht wusstest, dass es da ist. Wenn du völlig fertig bist und es um alles geht, kannst du dich plötzlich doch noch einmal schnell bewegen. Das ist so spannend, das macht süchtig.“

Der Ausfallschritt, mit dem noch die letzten Zentimeter herausgekitzelt werden, erinnert dabei fast ein wenig an die Landung beim Skispringen. Telemark nach dem Springen, Telemark nach dem Langlaufen. Kaum zu glauben: zum Schluss haben wir doch noch eine Gemeinsamkeit der beiden Disziplinen gefunden. Eine kleine zumindest. Vor allem haben wir aber gesehen, dass erst die vielen Unterschiede den Reiz ausmachen. Ein Hoch auf die Nordische Kombination.

In seiner aktiven Zeit als Skirennläufer lernte Magnus Walch Tirols Berge vor allem im Winter kennen. Jetzt trifft man den gebürtigen Vorarlberger dort auch im Sommer immer öfter beim Biken, Bergsteigen und Klettern.

Magnus
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