Auf dem Gipfel der Liebe: Kate & Michl
Jedes Jahr verlieben sich Menschen aus der ganzen Welt in die Tiroler Berge und Kultur – und manche verlieben sich auch in eine Tirolerin oder einen Tiroler. Wir haben internationale Paare gefragt, welche Rolle die Berge in ihrer romantischen Geschichte gespielt haben.
Hart aber herzlich im Zillertal
Kate und Michl Seiringer, beide 53, leben seit 1992 in Finkenberg im Zillertal. Die gebürtige Engländerin Kate arbeitet heute als Dolmetscherin, während sich Michl um die Vermietung ihrer Ferienwohnungen kümmert. Sie haben drei Kinder, die älteste Tochter erwartet selbst ein Kind – von einem Engländer.
Michl: Während meiner Bäckerlehre habe ich eine Roggenmehlallergie entwickelt. Beim Skifahren in Mayrhofen traf ich zufällig einen englischen Bäcker, der mir erzählte, dass man dort kein Roggenmehl verwendet, und mich einlud, für ihn zu arbeiten. So landete ich 1988 in dem südenglischen Küstendorf Swanage Bay.
Kate: Ich lebte zu der Zeit in London und hatte gerade meine Verlobung aufgelöst. Da bin ich in das Ferienhaus meiner Familie nach Swanage Bay geflüchtet. Ich hatte kein Geld und brauchte einen Job. In der Lokalzeitung stieß ich auf eine Anzeige: Bäckerei sucht Lieferpersonal.
Mein Chef lud Kate für einen Probetag ein. Statt in der Backstube zu frühstücken, haben wir Bäcker uns im Verpackungsraum versteckt, weil man von dort gut nach draußen schauen konnte.Und plötzlich kommt da dieses fantastisch aussehende Mädchen. Ich glaube, du hattest einen Minirock an …
Es war ein Jumpsuit …
Richtig! Ich habe mich zu meinem Kollegen Marc umgedreht und meinte zu ihm: Die heirate ich. Der hatte allerdings ebenfalls Interesse, also haben wir um zehn Pfund gewettet.
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Ich musste das Brot verpacken und verladen. Wenn ich mit einer Fuhre fertig war, habe ich durch die Luke geschaut, wann die nächste kommt. Dabei konnte ich immer nur die Beine der Bäcker sehen. Fünf Paare waren typisch englisch und uninteressant: dünn und weiß. Aber dann gab es noch ein Paar, das echt gewaltig war. Drei Tage lang habe ich mir diese Haxen angeschaut. Wahrscheinlich war es da schon um mich geschehen.
Ich war damals 18 und musste zurück nach Tirol, um meinen Wehrdienst zu absolvieren. Vorher wollten wir noch gemeinsam meine Heimat besuchen. Für Kate war das ein richtiger Kulturschock.
Ich konnte kein Wort Deutsch, und deine Mutter war alles andere als begeistert: Die konnte nicht verstehen, warum es eine Auswärtige sein muss, wenn es doch so viele feine Zillertaler Mädchen gibt. Aber wirklich nie vergessen werde ich den Krampus. Ich habe sofort gespürt, dass an dem Tag etwas in der Luft lag. Die Erwachsenen haben die ganze Zeit gelacht, während die Kinder geheult haben. Als es dann dunkel wurde, schepperte es plötzlich an den Fenstern und durch die Tür kam der Nikolaus mit diesem haarigen Teufel im Schlepptau. Dann wurde ich gepackt, aus dem Haus getragen und mit der Rute verdroschen. Und die Schwiegermutter hat immerzu gerufen: „Da musst reinhaun.“ Das war einer meiner ersten Eindrücke von Tirol …
(lacht) Wie die Barbaren!
Er findet das heute noch lustig. Am nächsten Tag habe ich zum ersten Mal Zillertaler Krapfen gegessen. Himmel und Hölle innerhalb von 24 Stunden. Ich weiß noch, wie ich mir dachte: Das Essen ist so gut, aber die Leute sind so böse. Ein Leben hier konnte ich mir nicht vorstellen. Aber auf der Heimreise hatte ich dann mehr im Gepäck, als ich mitgebracht hatte …
Als ich die Nachricht bekam, dass Kate schwanger ist, habe ich mich sehr gefreut. Ich sagte: „Gut, dann ist es wohl Schicksal. Setz dich in den Flieger, wir heiraten.“
Auf dem Gipfel der Liebe
Dieser Artikel ist Teil der Serie "Auf dem Gipfel der Liebe". In dieser Serie porträtieren wir Paare, die in Tirol leben und aus einer Tiroler und einer Nicht-Tiroler Hälfte bestehen.
Deine Mutter war weniger glücklich. In Tirol wurde eine Frau damals an ihrer Arbeitsfähigkeit gemessen. In London war ich Rückversicherungskauffrau und ich hatte in meinem Leben noch nie eine Sichel gesehen. Bei der Hochzeit hat deine Mutter dann Schwarz getragen.
Ich habe es eher als Anthrazit in Erinnerung. Aber ja, die Hochzeit war lustig: Wir hätten eigentlich einen Dolmetscher engagieren müssen, aber den konnten wir uns nicht leisten. Also habe ich mit Kate ausgemacht: Wenn ich dir einen Rempler gebe, sagst du „Ja“. Was schön war: Meine Bäckerkollegen aus England sind gekommen. Auch Marc, der mir ja zehn Pfund schuldete.
Während Michl seinen Wehrdienst absolvierte, lebte ich bei den Schwiegereltern. Als er fertig war, wollten wir ein Restaurant in England eröffnen, aber weil Michl keine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung hatte, hat das nicht geklappt.
Ein paar Jahre später erhielt ich die Nachricht, dass in Mayrhofen die Kegelbahn mit Restaurant zur Pacht frei wird. Wir mussten innerhalb von sechs Wochen aufsperren. Ich habe mich in die Küche gestellt, und Kate hat sich ein Dirndl angezogen und bedient.
Wir haben sehr viel gearbeitet. Aber es war eine gute Zeit. Ich habe Deutsch gelernt, und wir konnten uns gemeinsam etwas aufbauen.
Die ersten Jahre hier im Zillertal waren nicht einfach für Kate. Zum Glück ist sie eine Kämpferin.
Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, warum viele Zillertaler so hart waren. Irgendwann ist mir aufgefallen: Die Menschen nehmen die Eigenschaften der Landschaft an, in der sie leben. Und früher war das Leben hier hart. Die „Nadl“, also die Großmutter, wusste noch, wie sich echter Hunger anfühlt. Solche Erfahrungen prägen sich ein und werden natürlich auch an die nächste Generation weitergegeben. Dabei sind die Zillertaler eigentlich ganz weich. Man muss nur lange genug an ihnen kratzen.
Bald schlossen alle Kate ins Herz. Sie haben gesehen, dass sie mit anpacken kann und dabei lacht. Und heute vertraut sich ihr meine ganze Familie an, weil sie so herzlich und offen ist.
Im Zillertal, dachte ich zunächst, ist die Zeit stehen geblieben: die körperliche Arbeit, der sparsame Umgang mit den Ressourcen, die Nähe zur Natur. Mittlerweile kann ich mir ein besseres Leben kaum vorstellen. Ich finde es fantastisch, dass hier die Butter im Herbst anders schmeckt als im Frühling und dass das Wasser so klar ist. Ich glaube, die Zillertaler haben dem Rest der Welt einiges darin voraus, falsche Entwicklungen gar nicht erst zuzulassen.