Totgesagte leben länger: Die Sattelbergalm im Wipptal
Einen Steinwurf von der italienischen Grenze entfernt liegt der 2.115 Meter hohe Sattelberg. Als erste Gerüchte aufkommen, dass das kleine Skigebiet in Gries am Brenner geschlossen werden soll, stellt sich Luis Nagele auf die Hinterbeine. Seit drei Generationen bewirtet seine Familie hier die Gäste und die Schließung der Liftanlagen käme einer Katastrophe gleich. Doch Nagele kämpft vergeblich. 2006 wird der Betrieb des Sattelbergliftes wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit eingestellt.
Wir haben jetzt teilweise mehr Gäste als früher mit Lift.
Der Hüttenwirt denkt dennoch nicht ans Aufgeben. Innsbruck mit seinen sportbegeisterten Einwohnern liegt quasi vor der Haustüre und die Sattelbergalm bietet wunderschöne Ausblicke auf das Wipptal, die Stubaier Alpen und den Südtiroler Teil der Tuxer Alpen. Durch Nageles Durchhaltevermögen wendet sich schließlich das Schicksal. „Wir haben jetzt teilweise mehr Gäste als früher mit Lift“, schmunzelt der Wipptaler.
Hüttenwirt Luis Nagele
Die Sattelbergalm: urig und gemütlich.
Ein unerwarteter Trend
Der Grund ist denkbar einfach: Mit Tourenskiern ist der Gipfel des Sattelberges von Gries oder Vinaders in rund 2,5 Stunden Gehzeit zu erreichen und dank der alten Pisten ist der Aufstieg sowohl für Anfänger als auch geübte Sportler sehr attraktiv. „Im Nachhinein ist es leicht zu erzählen. Heute sehen wir, dass sich das Tourenski-Segment extrem gut entwickelt hat“, sagt Nagele. Der unerwartete Boom hat sein Geschäft gerettet.
Audio: Luis Nagele über seinen vergeblichen Kampf für die Erhaltung des Sattelberg-Liftes.
An diesem Februartag stapeln sich vor der schweren Holztür Rodeln und Tourenski und das Lokal ist bis auf den letzten Platz besetzt. Gemeinsam mit seiner Schwester Alexandra tischt Luis Nagele Produkte vom eigenen Bauernhof auf – von Bauernkäse über Speck und Brot bis hin zu Butter oder Fleisch. Auch Übernachtungen sind möglich: Neben schön renovierten Zimmern gibt es ein uriges Matratzenlager und in Eigenregie hat Nagele eine heimelige Hütten-Sauna gebaut.
Ausblick aufs Wipptal.
Manchmal hat der Hüttenwirt auch Zeit für eine private Skitour.
Hartnäckig und einfallsreich
„Heute kennt mich jeder Skitourengeher im Raum Innsbruck. Ich mag einfach die Leute gerne. Meine Angestellten versuchen mir abzugewöhnen, dass ich mich immer zu den Gästen dazusetze“, erzählt Nagele. Die sportliche Kundschaft schätzt das gute Essen und das familiäre Ambiente. Um „seinen“ Tourengehern bestmögliche Bedingungen zu bieten, präpariert der Wirt sogar einen Streifen der alten Piste mit der Pistenraupe.
Auch für rasante Rodelpartien ist der Sattelberg sehr beliebt.
Wir sind gezwungenermaßen einfallsreich.
Doch die Winter-Saison ist kurz, deshalb versucht der Gastronom durch ausgefallene Angebote ganzjährig Gäste auf seine Alm zu locken, etwa mit Alpen-Golf, Alm-Fußballturnier oder einem Seminarraum für Firmen. „Der Antrieb für meine Ideen ist oft auch die Angst. Man hat Zahlungen zu tätigen und muss sich etwas Neues ausdenken, damit die Leute zu uns raufkommen. Ich glaube, das ist ein Mitgrund, dass der Tourismus in den hinteren Tälern oft so stark ist: Wir sind gezwungenermaßen einfallsreich.“